Höllenjahre

Evi Simeoni, die Nichte Heinz Meyers, des eigentlichen "Autors" dieses Buches, gewährt den Lesern anhand sehr persönlicher Briefe ihres Onkels tiefe Einblicke in das Denken und Fühlen eines jungen Mannes, dessen Leben zu einem Großteil durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg geprägt war. 1921 in eine evangelische, pietistisch geformte Familie hineingeboren, durchläuft er eine behütete Kindheit und Jugend, in der christliche, im Protestantismus hervorgehobene Werte, aber auch nationalsozialistische Ideale auf fruchtbaren Boden fielen. Mit 18 Jahren als Soldat zur Wehrmacht eingezogen, erlebt er im Westen die militärischen Erfolge und im Osten den unaufhaltsamen Untergang. Am 22. Februar 1945 fällt Hans Meyer in der Nähe von Breslau. Die in diesen Jahren verfassten Briefe an seine Eltern, insbesondere an seine, mit ihm sehr eng verbundene Mutter sowie an seine Geschwister klingen in den ersten Jahren unbekümmert, sie drehen sich um alltägliche Dinge und berichten von seinem Leben als Soldat - stets getragen von der allgegenwärtigen NS-Propaganda und grenzenloser Siegeszuversicht. Mit Beginn des Russlandfeldzugs (22. Juni 1941), v.a. aber durch seine eigenen Erlebnisse an der Ostfront ändert sich langsam seine Sichtweise, seine ehemalige Siegesgewissheit wird zu einem unsicheren Schwanken zwischen Hoffnung und Resignation. Dennoch schreibt er kein einziges Wort zur gerade im Osten sichtbar praktizierten Vernichtung der ansässigen wie deportierten Juden, auch schweigt er über die unzähligen zivilen Opfer, die in den eroberten Gebieten von der Wehrmacht ermordet wurden. Vieles wäre in Meyers Briefen unverständlich und ohne Bezug zueinander, doch Simeoni schafft durch eingefügte Erläuterungen die notwendige Klarheit, relativiert allzu einseitige Aussagen bzw. löst Widersprüche auf und stellt unverzichtbare Zusammenhänge her.