"Im Leben war ich Eure Plage"

Luthers Person und reformatorisches Wirken haben viele Ansätze der Interpretation gefunden, die allesamt das Rätsel Luther nicht zur vollständigen Lösung bringen konnten. Eine solche wird man auch von Lyndal Ropers Buch nicht erwarten dürfen. Dennoch bringt sie in der bisherigen Luther-Literatur oft vernachlässigte Aspekte ein, die das Luther-Bild weitaus farbiger zeichnen als etwa ideengeschichtliche oder herkömmliche biographische Arbeiten. So analysiert sie etwa die mediale Vermarktung Luthers in den zunehmend ikonischer werdenden und auf einen Luther-Kult zielenden Luther-Porträts, wie wir sie z.B. von Lucas Cranach d. Ä. kennen. Einen ganz ungewöhnlichen Zugang zu Luther und seine Zeit findet Roper in den Träumen, die wir heute tiefenpsychologisch zu deuten versuchen, aber bereits damals als Niederschlag grundlegender, oft mehrdeutiger Erfahrungen große Beachtung fanden. Da immer eine Kontextualisierung mit Luthers und seiner Zeitgenossen Schriften erfolgt, wird die Gefahr einer Brechstangen-Psychologie umgangen. Dies ist auch dort der Fall, wo Roper sich auf das Männlichkeitsgehabe Luthers einlässt, in dem sie den Grund einer permanenten habituellen Aggressivität erkennt, die sich gegen Frauen, Juden und Katholiken, und selbst gegen Fürsten und reformierte Bundesgenossen Bahn gebrochen hat. Ropers Blick auf Luther möchte auch helfen, manches an unserer deutschen Mentalität besser zu begreifen.