Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat
Als Alba im Krankenhaus Jack kennenlernt, hat die Schülerin aus einem hässlichen Ort im Großraum Zürich schon einige Tiefpunkte erlebt. Nicht nur ihr zerschnittenes Handgelenk zeugt davon, im Laufe der Zeit enthüllt sie eine Mutter, die sie vernachlässigt,
ihre tote Schwester und den Stiefvater, der sich das Leben genommen hat. Bei Jacks Familie hingegen fühlt sich Alba sehr wohl, wird von ihnen gar zu ihrem ersten Urlaub am Meer eingeladen. Sie kann nicht verstehen, warum er davon träumt, "diesem links-konservativen Bürgertum zu entfliehen". Jack wirkt bei den gewalttätigen Jugendprotesten in Zürich mit, treibt sich in der Hausbesetzerszene herum und eröffnet Alba damit eine Welt, der sie - viel später und von ihm getrennt - so nahekommt, bis sie sich am Platzspitz wiederfindet: heroinabhängig und mitten im Drogenelend. - Die Erzählstimme - gemäß Klappentext "widerborstig und einnehmend" - prägt das Romandebüt des Schweizers Demian Lienhard, das in den 1980er Jahren beginnend etwas über zehn Jahre abdeckt und Themen wie Suizid, Abtreibung oder HIV enthält. Der Rezensentin gefielen manche der originellen Sprachbilder und doch fand sie schwer und erst spät richtig in den Roman hinein. Der eigenwillige Ton der nicht immer zuverlässigen Ich-Erzählerin hielt sie auf Abstand, bewirkte ein Gefühl der Vagheit, das aber gut zu Albas Leben passt. Darin mitschwingend die stille Hoffnung, dass es sich lohnen könnte, weiterzulesen bzw. weiterzuleben.
Barbara Sckell
rezensiert für den Borromäusverein.

Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat
Demian Lienhard
Frankfurter Verlagsanstalt (2019)
377 Seiten
fest geb.