Denk ich an Kiew

In der Ukraine um 1930: Katja lebt mit ihrer Schwester Alina und ihren Eltern in einfachen Verhältnissen auf dem Land, erwirtschaftet ihren Lebensunterhalt selbst und verliebt sich in den Nachbarsjungen. Kurz darauf zwingen russische Aktivisten die Dorfbewohner, sich der Kolchose anzuschließen, und erpressen mit brutaler Gewalt überhöhte Steuern von Nichtmitgliedern, um sie in den Hungertod zu treiben. Katjas Schicksal ist geprägt von Tod, Erschöpfung, der Suche nach Lebensmitteln und der Ermordung naher Verwandter. Illinois 2004: Cassie, gerade verwitwet, lebt mit ihrer verstummten Tochter Birdie bei ihrer ukrainischen Großmutter Bobby, um ihr im Alltag zu helfen. Dabei findet sie ein altes Tagebuch in ukrainischer Schrift, das zu einer Vergangenheit führt, die die Großmutter für immer zu verstecken versuchte. - Die US-Schriftstellerin Erin Litteken mit ukrainischen Wurzeln wurde beim Verfassen ihres Romans von der aktuellen politischen Tragödie überrollt. In ihrem Buch verbindet sie auf zwei Zeitebenen die tragische Geschichte des Holodomor (Aushungern) durch Stalin in der Vergangenheit und die Gegenwartserzählung der seelischen Verarbeitung des plötzlichen Todes eines Ehemanns. Die Autorin führt den Lesenden einfühlsam und sehr bewegend einen vergessenen sowie grausamen (und vielleicht auch unbekannten) Aspekt der ukrainischen Geschichte ins Bewusstsein und gibt somit ungehörten Opfern eine Stimme. Dagegen wirkt die Liebesgeschichte weniger ausdrucksstark und etwas flach. Dennoch ist es ein sehr bewegendes und ergreifendes Buch, das durch die Aktualität der Geschichte besonders betroffen macht. Ich möchte es allen Büchereien sehr ans Herz legen.