Unsere Geschichte beginnt

Tobias Wolff legt mit diesem Band vierzehn Erzählungen vor, in deren Zentrum Figuren stehen, die äußerlich ihren harmlosen Alltag leben. Es handelt sich u.a. um Lehrer, Künstler, Soldaten, Jäger und Studenten. Im Inneren der oftmals zum Einzelgängertum neigenden Menschen breiten sich jedoch dunkle Seelenlandschaften aus. Da ist z.B. die ahnungslose Lehrerin, die nur zur Erfüllung der vorgeschriebenen Frauenquote von ihrer Bekannten zu einem demütigenden Bewerbungsgespräch eingeladen wird, obwohl der neue Stelleninhaber längst feststeht. Außerdem wird von zwei Jägern erzählt, die sich an ihrem Kollegen rächen, indem sie scheinbar unabsichtlich und sehr gelassen falsche Abzweigungen mit dem Auto nehmen und mit ihrem verblutenden Kollegen auf der Ladefläche das rettende Krankenhaus nicht rechtzeitig erreichen werden. In einer weiteren Erzählung lügt ein Junge, dass sich die Balken biegen, und ruft damit sehnsüchtig nach Zuwendung durch seine Mutter. Außerdem wird von einem Mann berichtet, der die Angestellte eines Bestattungsinstituts heftig begehrt, während seine Mutter im Sterben liegt. Wie diese beispielhaften Erzählungen werden auch alle übrigen Texte dem Leser in einer nüchternen und unaufgeregten Sprache dargeboten, sodass es schon einer sehr aufmerksamen Lektüre bedarf, um die unterschwellige Brisanz und tiefe Abgründigkeit herauszufiltern und die Texte auch zwischen den Zeilen zu verstehen. Alle Figuren befinden sich auf der Suche nach Glück, wobei ihre Sehnsucht nicht gestillt wird. Eine Auseinandersetzung mit diesen nicht im Mindesten humorvollen, dafür um so gelungeneren Beispielen amerikanischer Erzählkunst ist wirklich lohnenswert. Gern empfohlen. (Übers.: Frank Heibert)