Land sehen
Als Horand Roth, ein Literaturprofessor mittleren Alters, unglücklich geschieden und in einer Art midlife crisis, aus heiterem Himmel einen Anruf seines Onkels Georg erhält, ist er wie vom Donner gerührt - der erheblich jüngere Bruder seiner Mutter, den er als Kind sehr geliebt hatte, war eines Tages nach einem heftigen Streit mit Horands Eltern gegangen und nie mehr gekommen. Einzig ein paar Postkarten hatten über die Jahre signalisiert, dass er überhaupt noch am Leben war. Noch größer wird Horands Überraschung, als er hört, dass der lebensfrohe und weltoffene Onkel nach einem bewegten Leben inzwischen zum Priester geweiht wurde und in einen Orden eingetreten ist - bei den ultrakonservativen Piusbrüdern. Wie passt das zusammen? In den nächsten Wochen und Monaten begegnen sich Horand und Onkel Georg immer öfter, sie unterhalten sich - buchstäblich - über Gott und die Welt. Horand staunt, wie viel sein Onkel ihm zu erzählen hat: über das Leben und die Liebe, über Religion - und die Familie. Und als Horand schließlich zu fragen wagt, weshalb Georg sich vor Jahrzehnten mit der Familie überworfen hat, erfährt er ein berührendes Familiengeheimnis. Er schätzt seinen Onkel immer mehr, der in einem Leben voller Wechselfälle sich selbst immer treu geblieben ist - und gerade deshalb bis zum Ende für eine Überraschung gut bleibt! - Ein sehr lebendig und plastisch erzählter Roman mit unglaublich sympathischen Protagonisten, der in großer Leichtigkeit und auf unterhaltsame Weise auch tieferen Fragen nicht aus dem Weg geht.
Thomas Steinherr
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Land sehen
Husch Josten
Berlin Verlag (2018)
235 Seiten
fest geb.