White Man

In dem fesselnden, psychologisch interessanten Thriller, Liebes- und Schicksalsroman der jungen norwegischen Autorin (geb. 1970) wird ein Mord und seine Vorgeschichte aus doppelter Perspektive erzählt. Im ersten Teil des Romans erleben wir ein norwegisches Ehepaar, das mit seiner kleinen Tochter die Ferien auf einer paradiesischen Südseeinsel verbringt. Kurz vor Ende der Ferien überrascht der Ehemann einen jungen Farbigen dabei, wie er versucht, seine Frau zu vergewaltigen und ersticht ihn. Naturgemäß ist der Leser eher auf der Seite des Ehemanns, umso mehr, als man annehmen muss, dass dem mittlerweile Inhaftierten und schwer Gefolterten die Notwehrhandlung als Eifersuchtsmord ausgelegt werden soll, denn der Vergewaltiger ist der Sohn eines prominenten Politikers. Zweiter Teil des Romans: Die verhängnisvollen Ereignisse werden aus der Sicht des Vergewaltigers erzählt, mit der Folge, dass der Leser für den jungen Farbigen Verständnis, ja am Ende sogar Sympathie und Mitleid empfindet. Denn nun kommt ans Licht, dass sowohl die vergewaltigte Ehefrau wie eine ehemalige weiße Geliebte des Jungen auf unterschiedliche Weise unwillentlich das Verhalten des unerfahrenen liebeshungrigen Jungen herausforderten, und somit eine große Mitverantwortung an den tragischen Ereignissen haben. Diese ambivalente Grundstruktur spiegelt sich auch in der vielfältig auftretenden Duplizität von Personen, Situationen und Ereignissen, die das gesamte Geschehen in einen geheimnisvollen Zusammenhang rücken und sich in raffinierter Weise wechselseitig beleuchten. Von Anfang an wird die Idylle des Ferienparadieses durch Metaphern sublimer Gewalt und Erotik kontrastiert und durch eine diffuse Stimmung von Fremdheit und Verunsicherung konterkariert. Der in Skandinavien von der Kritik hochgelobte und von Ursel Allenstein hervorragend übersetzte Roman kann nur wärmstens empfohlen werden!