Ein kurzer Moment

Ein blutiger Krimi-Beginn - bei so viel Gewalt möchte man das Buch am liebsten gleich wieder zuklappen. Doch wird man fast widerwillig hineingezogen in eine brutale Schlägerei zwischen Männern, die sich bewusst verprügeln, um gegen soziale Missstände zu protestieren. Zu ihnen gehört Grégoire Lang, ein ehemaliger Kriegsreporter mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), für den die Schlägereien eine Kunstperformance sind, um Lokalpolitiker zu provozieren und politisch-soziale Kritik zu äußern. Sie protestieren gegen alles, sind wütend. All die harten Jungs haben aber in Wirklichkeit nur Angst und Sehnsucht nach einem gerechten Leben, nach Zuneigung. Die jungen Männer treffen sich nach ihren Happenings in einer Kneipe, um zu trinken und ihre Wunden zu verarzten. Lang hat sich mit Paolo angefreundet, der diese Fightmobs organisiert. Beide lieben Olivia, die Tochter des Aktions-Künstlers Old Maurice, die bei einem Anschlag an einem Strand in Tunesien ums Leben kam, und trauern noch immer um sie. Als die Afrikanerin Awa auftaucht, gerät Langs Leben durcheinander: Sie behauptet, er sei ihr etwas schuldig, und er hat tatsächlich ein schlechtes Gewissen wegen seiner Kriegsfotos, kann sich aber nicht mehr an sie erinnern. Awa verlangt von ihm, ihren Sohn, der bei Pflegeeltern lebt, zurückzuholen. Er hilft ihr und ihrem Jungen, sie werden ein Paar und versuchen, der Gewalt zu entfliehen, obwohl Lang klar wird, dass Awa ihn nur benutzt hat. Eine präzise Analyse der Marseiller Zustände und der Wut und Ängste der perspektivlosen armen Jugend, die mit Gewalt reagiert. Er erinnert an die eindrucksvollen Beschreibungen der Stadt Marseille von Jean-Claude Izzo. Für Leser/-innen mit starken Nerven eine packende Lektüre, die einen nicht loslässt.