Die Gespenster von Demmin
Larrys größter Wunsch ist, Kriegsreporterin zu werden. Dafür recherchiert sie Foltermethoden, härtet sich ab und jobbt auf dem Friedhof. Außerdem interessiert sie sich für die Vergangenheit Demmins. Gleichzeitig rebelliert sie gegen den neuen Freund ihrer Mutter. Oft begleiten sie die Gedanken an ihren Bruder, der kurz vor ihrer Geburt mit drei Jahren verunglückte. Leise kündigt sich die erste Liebe an. Viele aufwühlende Gedanken, denen Larry sich auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens stellen muss. - Währenddessen soll Frau Dohlberg, ihre Nachbarin, in ein Seniorenheim umziehen, weil sie sich nicht mehr selbst versorgen kann. Sie muss sich von fast all ihren Habseligkeiten trennen. Beim Aussortieren kehren die furchtbaren Erinnerungen an das Kriegsende zurück, als Hunderte Demminer aus Angst vor der Roten Armee Suizid begingen. Auch ihre Mutter ging mit ihrer Schwester ins Wasser. Sie selbst schaffte es, sich mit einer weiteren Schwester zu retten. Damals wollten sie leben. - Teenager und Seniorin, beide haben die eigenen Gespenster und ein historisches Trauma zu überwinden, jeder auf seine eigene Art. Verena Kessler hat eine klare, ruhige Sprache. Dabei übertreibt sie weder Larrys pubertierendes Verhalten, noch geht sie allzu ausführlich auf die Vergangenheit ein. Sie bleiben geisterhaft blass und doch sehr atmosphärisch. Ein gelungener Debütroman und eine klare Leseempfehlung.
Nicole Lorrig
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Gespenster von Demmin
Verena Keßler
Hanser Berlin (2020)
237 Seiten
fest geb.