Pi mal Daumen
Oscar startet mit 16 das Mathematikstudium. Seine begüterte und privilegierte Familie hielt ihn bisher von allen sozialen Lernfeldern und Verpflichtungen fern, damit er sich auf seine Zahlenleidenschaft und sein Idol, den preisgekrönten Mathestar
Daniel Johannsens, konzentrieren konnte. Der erste Studientag konfrontiert ihn mit Moni Kosinsky. Diese lebt mit drei Teilzeitjobs, einem anstrengenden Partner und der Sorge für die Tochter mit drei Enkelkindern den Traum, mit 53 Jahren noch ihrem Mathefaible nachzugehen. Die beiden völlig gegensätzlichen Biografien finden sich an der Stelle, an der Oscar herausfindet, dass Daniels vielfach preisgekrönte mathematische Leistungen auf den Erkenntnissen von Monis Bruder Jan beruhen. Dieser gilt als verschollen, Oscar kennt ihn vom mathematischen Nachsinnen in der vierten Dimension (Zeit) als Mister Brown. Oscar durchläuft dank Moni im Sprint ein Sozialtraining. Und Moni unterwirft sich Oscars strengem Reglement, sich auf ihr Studium zu konzentrieren und viele ihrer überbehütenden Sozialengagements zu reduzieren. Ihre Masterarbeit bei Daniel bringt manches in der akademischen Welt gleichermaßen aus dem Gleichgewicht und ins Lot. – Ein sprachlich faszinierender, temporeicher Roman, der scheinbar lustig und unterhaltsam daherkommt. Hinter den Handlungen und den Charakteren verstecken sich zwischenmenschliche Zuwendung und Grausamkeit, die sich dann lösen, wenn Zuneigung und Interesse an Gerechtigkeit ins Spiel kommen. Breit empfohlen.
Rolf Pitsch
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Pi mal Daumen
Alina Bronsky
Kiepenheuer & Witsch (2024)
270 Seiten
fest geb.
Auszeichnung: Roman des Monats