Ein Gentleman in Moskau

Wegen eines schon 1913 geschriebenen nachdenklichen, keineswegs polemischen Gedichts, dessen Autorenschaft Graf Alexander Iljitsch Rostov zum Schutz eines Freundes übernommen hatte, wird er 1922 von einem Notstandskomitee des Volkskommissariats zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Welche schriftstellerische Leistung Amor Towles vollbracht hat, darüber ein über 500 Seiten dickes und nie langweilig werdendes Buch zu schreiben, voll interessanter Beobachtungen und Entwicklungen, Begegnungen und hintergründigen Gesprächen und das auf kleinem Raum, darüber kann der Leser nur staunen. Das ist genug Material für einen guten Film! Der Verlauf der Geschichte über so viele Jahre an einem Ort, die Geduld, die gleichbleibend großartige Haltung und die Anpassungsfähigkeit des Grafen, die Vorstellung der Damen und Herren der Gesellschaft, des Hotelpersonals und der Hotelgäste, mit denen er es im Laufe der Zeit zu tun bekommt, vor allem auch der beiden Kinder, die an ihm hängen (und von ihm lernen), alle diese lebensnahen Zusammenhänge und ernsten und auch humorvollen Dialoge ergeben ein Bild einer Gesellschaft, die auf einem sehr oberflächlichen Fundament aufgebaut scheint, das so nicht tragfähig ist. Die aufregende Entwicklung der Geschichte am Ende des Buches, die fast einem Kriminalroman entspricht, erwartet der Leser so eigentlich nicht mehr und dennoch, es ist eine Meisterleistung, das Buch mit diesen Geschichten riskanter, aber gelungener Befreiungen ausklingen zu lassen. - Ein großer Roman voller Leben mit einem Protagonisten voller Haltung, Souveränität, Witz, Gemüt und innerer Ruhe, und das durchgängig verwoben mit dem Hintergrund einer durch Revolutionen erschütterten russischen Gesellschaft. Eine wunderbare Lektüre, breit zu empfehlen! (Übers.: Susanne Höbel)