Judas

Der desillusionierte Student Schmuel Asch wird von seiner Freundin verlassen und seine Eltern können ihn wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr unterstützen. Deshalb bricht er sein Studium an der Jerusalemer Universität ab und findet über Judas eine Anzeige eine Teilzeitstelle im Haus des alten Gerschon Wald und dessen Schwiegertochter Atalja Abrabanel. Schmuels Aufgabe ist es, gegen geringe Entlohnung den alten Mann abends zu versorgen, ihm als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen und ihm vorzulesen. Schmuel findet sich bald in die ungewohnte Rolle; die endlosen Diskussionen über Gott und die Welt, über die Ideale des Zionismus, über den arabisch-jüdischen Konflikt gefallen ihm sogar. Die anfangs nur spärlichen Kontakte zu Atalja nehmen im Laufe der Zeit zu; Schmuel muss sich eingestehen, dass er von der um 20 Jahre älteren Frau fasziniert ist. Nach einiger Zeit drehen sich die Gespräche mehr und mehr um den Zionismus und die Vorgänge im Jahr 1948. Ataljas Vater hatte sich vehement für eine Verständigung mit den Arabern ausgesprochen und wurde daher als Verräter diffamiert, auch von Gerschon. Der Sohn Gerschons kam während des Unabhängigkeitskrieges 1948 um, was den Vater nach wie vor belastet. Zwischen Schmuel und Atalja kommt es zu einigen wenigen intimen Zärtlichkeiten, und dann wird Schmuel bedeutet, dass sein Aufenthalt im Haus beendet ist; er wird fortgeschickt und findet sich ohne Ziel und Hoffnung in einer verlassenen Siedlung wieder. - In dieser im Jahr 1959 spielenden Geschichte beleuchtet der mit vielen Preisen geehrte jüdische Autor die Rolle von Menschen, die entgegen der herrschenden Meinung eine andere Haltung einnehmen und darunter zu leiden haben. Die menschlichen Tragödien, die sich vor und nach der Gründung des Staates Israel abgespielt haben, werden am Beispiel der Familien Gerschon und Abrabanel geschildert. Ein überaus eindrucksvoller Roman, sehr lesenswert. (Übers.: Mirjam Pressler)

Erwin Wieser

Erwin Wieser

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Judas

Judas

Amos Oz
Suhrkamp (2015)

331 S.
fest geb.

MedienNr.: 782585
ISBN 978-3-518-42479-7
9783518424797
ca. 22,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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