Pariser Symphonie

Drei Motive ziehen sich durch den Band: Das Übernatürliche, die Macht der Leidenschaft und eine unglückliche Kindheit, verursacht durch emotionslose Eltern. In der Erzählung "Die Geister" begegnen die Kinder der Hausherrin dem Geist des verstorbenen Jugendfreunds ihrer Mutter. In "Magie" erfüllt sich die Prophezeiung einer spiritistischen Sitzung auf grausige Weise. In "Echo" geht es um einen Schriftsteller, der in seiner Jugend von der Mutter kaltherzig behandelt wurde und keine Liebe erfuhr, und der diese Gefühlsarmut auf seinen Sohn überträgt. "Pariser Symphonie" erzählt die desillusionierende Geschichte eines jungen Künstlerpaares im Pariser Montmartre. Auch wenn das geschilderte Frauenbild, vor allem in "Jungfern", etwas altmodisch anmutet, so geht es doch um existenzielle Gefühle und Leidenschaften. Die herausragendsten Geschichten sind "Die Diebin": eine unglückliche Großmutter-Enkelin-Beziehung; "Die Angst" umfasst nur knapp drei Seiten, aber in ihr wird das beklemmende Klima überdeutlich, das während des Zweiten Weltkrieges unter dem Vichy-Regime in Frankreich herrschte, und "Film" ist die literarisch und stilistisch interessanteste Erzählung. Wie in klassischen Novellen enden Némirovskys (1903 - 1942) Erzählungen mit überraschenden Wendungen; ihre Stilmittel sind überraschend modern: Sie schreibt "literarische Drehbücher" oder "filmische Erzählungen", wie sie sie nennt; ihre Methode nennt sie "caméra stylo", was in der langen und großartigen Erzählung "Film" am deutlichsten wird. Auch wenn die Milieus und Figuren sowie einige ihrer Probleme heute weit weg erscheinen, sind Némirovskys Erzählungen doch sehr lesenswert und vielfach literarisch interessanter als die großen Romane. (Übers.: Susanne Röckel)