Sibir

Die Familie Ambacher aus dem Wartheland wird 1945, wie viele hunderttausend weitere, Richtung Sibirien verbracht. Neben den kriegsgefangenen Soldaten sollten auch die Zivilisten für die Verbrechen der Wehrmacht in Russland büßen. Die Ambachers landen Sibir nach endlosen Tagen Eisenbahnfahrt in einem Güterwagon in einem Steppennest in Kasachstan. Die Mutter, gezeichnet durch Schock und Schmerz, läuft bei einem Sturm in die Steppe und wird nie wiedergefunden. Vater Ambacher, die Großeltern, eine Tante und der zehnjährige Sohn Josef versuchen sich in einer Behelfsunterkunft einzurichten. Hunger, Kälte und Misstrauen machen ihnen zu schaffen. Das Leben der Erwachsenen besteht aus harter Arbeit, aber es bildet sich auch eine Art Schicksalsgemeinschaft heraus, auch mit den Alteingesessenen. 1955 kommen die Kriegsgefangenen frei und mit ihnen auch viele der zivilen Verschleppten. Die Ambachers werden in einer Kleinstadt in Norddeutschland angesiedelt. Der mittlerweile erwachsene Josef heiratet, kommt zu Wohlstand, seine Tochter Leila wird nach 1989 mit neuen Ansichten und Situationen konfrontiert, als nach der Implosion der Sowjetunion die Russlanddeutschen in Massen in der BRD eintreffen. Leila erfährt von der eigenen Familiengeschichte und fragt immer wieder nach den Erlebnissen vor allem ihres Vaters. - Die Autorin hat mit diesem Buch ihre Familiengeschichte auf eindrucksvolle Weise erzählt. Die Schilderungen der erzwungenen Dorfgemeinschaft in Kasachstan, die Beschreibungen der seelischen und körperlichen Verfassungen der Protagonisten sind eindrucksvoll und berührend, ohne jemals larmoyant zu werden. Überhaupt ist die Sprache ungemein eingehend, fesselnd. Interessant ist das Buch auch nicht zuletzt durch die wenig bekannten Zwangsdeportationen deutscher Zivilisten durch die sowjetischen Besatzer. - Ein bestens zu empfehlendes Buch, das hoffentlich viele Leser findet.

Erwin Wieser

Erwin Wieser

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Sibir

Sibir

Sabrina Janesch
Rowohlt Berlin (2023)

349 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 613597
ISBN 978-3-7371-0149-3
9783737101493
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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Auszeichnung: Roman des Monats