Hikikomori

Als Till an seiner Waldorfschule nicht zum Abitur zugelassen wird, schließt er sich in sein Zimmer ein, um sich selbst zu finden. Die Eltern reagieren gelassen und verständnisvoll. Vater Oskar ist Schönheitschirurg, der auch in seinen Patienten Hikikomori nach dem "individuellen Ich" sucht und ihre "charakterbildenden Furchen und Kanten" freilegt. Mutter Karola hält Kontakt zu Till mittels unter der Tür durchgeschobener Zettel und versorgt ihn mit seinen Lieblingsspeisen. Doch Tills Isolation zieht sich hin, aus Tagen werden Wochen und Monate. Wenn die Familie zunehmend ratlos im Kreis vor Tills Zimmer steht und durch den Türspalt einen Blick nach drinnen zu erhaschen sucht, fühlt man sich stark an Kafkas "Verwandlung" erinnert. Till erschafft sich derweil seine Welt mithilfe eines neuen Computerspiels - und findet dabei Gleichgesinnte. Mehr und mehr verschmilzt für ihn die reale mit einer virtuellen Welt, was erzähltechnisch auf verschiedenen Ebenen gespiegelt wird. Beschrieben wird das Ganze abwechselnd aus Tills Innensicht und einem neutralen Beobachterblick, der die Tätigkeiten der außenstehenden Personen und die zunehmende Verwahrlosung Tills protokolliert. - Kevin Kuhn (Jahrgang 1981) ist Lehrbeauftragter am Hildesheimer Institut für Kreatives Schreiben. Hikikomori ist die japanische Bezeichnung für meist männliche Jugendliche, die sich von der Gesellschaft zurückziehen. Kuhn hat in seinem Debütroman diese Verhaltensweise verwoben mit der Suche Tills nach Identität, nach einem Platz in der Welt; und er hat somit einen großartigen Adoleszenzroman geschaffen. Für Jugendliche und alle, die mit ihnen zu tun haben, dringend empfohlen.

Karin Blank

Karin Blank

rezensiert für den Borromäusverein.

Hikikomori

Hikikomori

Kevin Kuhn
Berlin-Verl. (2012)

223 S.
kt.

MedienNr.: 572448
ISBN 978-3-8270-1116-9
9783827011169
ca. 14,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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