Das Angebot an herausragenden Sachbüchern für Kinder ist groß. Gerade auch im Grundschulalltag könnten die Titel den herkömmlichen Lernplan bereichern und den Kindern Impulse abseits der Schulbücher geben. Antje Ehmann hat sich umgeschaut und acht Kindersachbücher gefunden, die den Wissenshorizont erweitern und Kunst-, Sachunterricht oder Ethikthemen in Text und Bild überraschend kreativ gestalten.

Gerade jetzt im Frühjahr ist es wunderbar, Insekten und andere kleine Tiere, wie Käfer oder Regenwürmer, zu entdecken. In Meine Wiese – Entdecke eine wunderbare Welt entführt uns Jan Haft zu seinem Lieblingsort. „Ich habe versucht, meine Begeisterung damals als Kind für Wiesen und Weiden nun für ein junges Publikum nachvollziehbar und lesbar niederzuschreiben. Das meiste habe ich dabei so oder so ähnlich erlebt“, sagt der erfolgreiche Naturfilmer. Gemeinsam mit den ebenso präzisen wie einfühlsamen Illustrationen von Claire Lenkova und seinen brillanten Farbfotos taucht man ein in dieses für viele Stadtkinder vermutlich unbekannte Universum. „Die Wiese ist Lehrplanthema in der Grundschule, und so wollten wir mit dem Hörbuch Kindern ermöglichen, diesen Lebensraum auf der auditiven Ebene zu erleben“, so Haft weiter. Und tatsächlich kann man mit der gleichnamigen CD akustisch eintauchen in die Welt des Wiesenknopf-Ameisenbläulings, der Marienkäfer und der Braunkehlchen.
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Über menschliches Zusammenleben haben die Autorin und die Illustratorin intensiv nachgedacht und zusammen das Kindersachbuch Voll ungerecht – Über Fairness und Gerechtigkeit herausgebracht. Ein Thema, das viele Kinder beschäftigt und auch immer wieder im Schulalltag eine bedeutende Rolle spielt. „Ich fand es als Kind meistens ungerecht, dass meine große Schwester so viel mehr durfte als ich. Außerdem bin ich schon als 14-Jährige bei Fahrraddemos mitgefahren, und finde es auch heute nach wie vor ungerecht, dass Autos einen so hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen“, so Meike Töpperwien. Ihre lustigen und treffenden Bildideen machen aus dem interessanten Text zudem ein richtiges Vergnügen. Denn die Themen sind nicht immer einfach: Es geht um das Gewissen, die Grundrechte, Steuern und die Arbeitswelt. Aber die Autorin und Journalistin Assata Frauhammer vermag es, verständlich und anschaulich zu schreiben.

Und auch dank der fundierten Sachkenntnis von Silke Vry, von Haus aus Archäologin, gelingt es, mit einem erzählenden Abenteuersachbuch viel über die vergangene Zeit zu vermitteln. Hier nun geht es bei der mittlerweile sechsbändigen Reihe – weitere Titel sind bereits in Planung – um den Ausbruch des Vesuvs. Gerade vor Kurzem sind wieder faszinierende Wandmalereien, sogenannte Fresken, entdeckt worden. Die Dusty Diggers in Die angesagteste Imbissbude der Römerzeit – Das Geheimnis von Pompeji entdecken noch vieles mehr und nehmen die lesenden Kinder mit auf eine kurzweilige Zeitreise. „Ein wichtiger Punkt bei dem Reihenkonzept: Viele der Themen stehen auch auf dem Lehrplan der Grundschulen, oftmals im Heimat- und Sachkundeunterricht. Außerdem können die Dusty Diggers den Kindern bei der Lektüre etwas Wesentliches ganz spielerisch vermitteln: eine Art von historischem Denken, Geschichtsbewusstsein, das Orientierung geben kann, in der Zeit und in der Welt, so Vry.

Auch mit dem Werk Wie rettet man Kunst? der beiden Restauratorinnen Fabienne Meyer und Sibylle Wulff taucht man ein in vergangene Jahrhunderte, allerdings unter anderen Gesichtspunkten und als große Bereicherung für den Kunstunterricht möglich. Martina Leykamm gestaltet das großformatige und umfangreiche Kindersachbuch auf einzigartige Weise. Mit einem kleinen Quiz – der nachgezeichnete berühmte Feldhase von Albrecht Dürer hat sich auf etlichen Seiten versteckt – hält sie jüngere Kinder geschickt bei der Stange. „Das Buch lädt dazu ein, sich der Kunst auf ganz verschiedenen Wegen zu nähern. Über das Material zum Beispiel, das gerade bei der zeitgenössischen Kunst sehr vielfältig ist. Außerdem gibt es jede Menge Denkanstöße zu der Frage, warum wir Kunst und Kultur bewahren wollen“, erläutert Leykamm. Zurecht hoch gelobt und inhaltlich sowie gestalterisch grandios, dieses Kunstbuch.

Ganz andere Themen, aber ebenso grandios sind die Sachbücher, die Ole Könnecke in schöner Regelmäßigkeit vorlegt. Nach Hört sich gut an – 50 Instrumente und wie sie klingen gemeinsam mit seinem Sohn Hans Könnecke und Sport ist herrlich – 70 Sportarten gezeichnet und erklärt von Ole Könnecke widmet sich der Hamburger Illustrator diesmal einem ganz anderen Fachgebiet. „Manchmal ist es spannend, ein Buch über ein Thema zu machen, das einen eigentlich nicht so rasend interessiert. Das gibt einem unter Umständen eine spielerische Distanz. Dass es Trecker mit Kühlschrank gibt, hat mich wirklich überrascht“, so Könnecke. Und er überrascht jeden noch so kleinen und großen Bagger-Experten in Buddeln, baggern, bauen – Kleine Geschichten von großen Maschinen eben genau mit den erstaunlichen Tiergeschichten. Immer witzig erzählt und in seiner unverkennbaren Manier gezeichnet. Bildhauerin Frau Schaf fährt den Radlader, Frau Kuh transportiert das Klavier mit dem Teleskopkran und das Nashorn nutzt den Fahrmischer heute zur Abwechslung mal ganz anders – für leckere Pfannkuchen!

Auch das kann man, wenn man sein Leben genießt: fein essen. Etwas, das nach dem Tod nicht mehr geht. Dann sieht man die Radieschen von unten – Das bunte Buch über den Tod für neugierige Kinder. So die geläufige Redensart, von Katharina von der Gathen für ihr großartiges Sachbuch zu einem eher schwierigen Thema kurzerhand griffig ausgeliehen. Anke Kuhl war wie bei den vorherigen Kindersachbüchern Klär mich auf und Klär mich weiter auf wieder mit dabei und gemeinsam ist ein Titel entstanden, an dem man kaum mehr vorbeikommt, wenn man sich im Gespräch mit Kindern mit dem Tod befassen möchte. „Besonders beeindruckt hat mich, mit welcher Hingabe der Bestatter Martin seine Verstorbenen zurecht macht, wie verbunden sich Uli, der Friedhofsgärtner seinem Friedhof und allen dort Bestatteten fühlt oder welche kreativen Möglichkeiten Trauerbegleiterin Anja gemeinsam mit den Ratsuchenden entwickelt“, so die Autorin. Fachlich überzeugend hat die Veröffentlichung die Auszeichnung „Wissenschaftsbuch des Jahres“ in der Sparte Junior-Wissensbücher im April 2024 in Wien verliehen bekommen. Eine stimmige Mischung aus Interviews, erklärenden Texten und unverkennbaren Illustrationen der Frankfurter Labor-Künstlerin.

Durchschnittlich achtzehn Jahre am Leben sind diese beliebten Haustiere: Kater und Katzen. Und wie ihr Leben genau ausschaut, das bringt Kindern Lena Zeise in Wie die Katze zu uns kam – Eine Geschichte von Katzen und Menschen näher. Dabei macht sie auch Ausflüge in andere Zeiten, andere Länder und überzeugt, wie bereits bei anderen Büchern, mit ihrer Art des fotorealistischen Zeichnens – immer sehr intensiv und geprägt von einer dichten Atmosphäre. „Das Buch beschäftigt sich mit dem beliebtesten Haustier weltweit, außerdem tauchen literarische Katzenfiguren auf, die viele Kinder kennen – sei es „Der gestiefelte Kater“ oder die Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“. Also ein Thema, an das fast jedes Kind anknüpfen kann und das auch schon für Grundschüler gut geeignet ist“, meint Zeise. So allumfassend, hochinteressant und abwechslungsreich – da muss man schon lange suchen, um ein kinderliterarisches Äquivalent zu finden.

Und auch die Übersetzung des Kindersachbuches aus dem Portugiesischen von Martin Hengst sucht seinesgleichen. Mit Hallo Sonne, Hallo Wind haben die beiden Künstler Isabel Minho Martins und Bernardo P. Carvalho eine ausgezeichnete Mischung aus Informationen, Gestaltung und kreativen Angeboten gefunden. Hier sind es vor allem die klug konzipierten Mitmachseiten, die auch wunderbar im Sachunterricht oder bei Veranstaltungen bei Ihnen in der KÖB einsetzbar sind. Auch die Form – ein Wendesachbuch über zwei Naturkräfte – und die puristische Entscheidung für drei Pantone-Farben lässt staunen. „Wir haben mehrere Zugänge gefunden: eine sinnlich-spielerische Weise: mit Schatten spielen, den Wind in den Haaren spüren; eine mit lustigen Geschichtsfakten wie z.B. die verschiedenen Sonnenbrillen; und dann der wissenschaftliche Zugang: Warum existiert der Wind? Woraus ist Sauerstoff gemacht? Also Physik, Chemie und Biologie“, so Isabel Minho Martins. Die wichtigste Erkenntnis der beiden nach der intensiven Beschäftigung mit der Sonne und dem Wind: „Das Wissen, dass wir sehr viel Glück haben auf diesem Planeten zu leben – voll Sonnenlicht und Luft zum Atmen.“