Ein Buch ist ein Buch
eBooks für Öffentliche Büchereien – ohne wenn und aber
In verschiedenen Medien wird derzeit von einer Kampagne „Fair Lesen“ von einigen Verlagen und Autoren berichtet, die unterstellt, Öffentliche Bibliotheken würden mit dem Verleih von eBooks den eBuch-Markt zerstören und dadurch Kreativität sowie freie Meinungsäußerung massiv beeinträchtigen. Zugleich wird vor einer politischen Zwangslizensierung gewarnt, durch die eBooks "zum Nulltarif" angeboten würden.
Der zu Grunde liegende Sachverhalt ist, dass viele aktuelle eBook-Titel in Büchereien nicht sofort nach Erscheinen ausgeliehen werden können. Für den Verleih von eBooks werden Lizenzen verhandelt. Eine in Deutschland üblich gewordene Lizenzbedingung ist das sogenannte „Windowing“, bei dem neue eBooks für die Bibliotheken erst nach einer Wartezeit von bis zu einem Jahr angeboten werden.
Aus Sicht des Deutschen Bibliotheksverbandes, des Borromäusvereins und des Sankt Michaelsbundes ist das nicht hinnehmbar: „Ein Buch ist ein Buch“.
Die Bibliotheksverbände verlangen seit Langem, dass für eine angemessene Vergütung an Autorinnen und Autoren die „Bibliothekstantieme“ für die eAusleihe erweitert werden muss. Auch die Höhe der Bibliothekstantieme (derzeit ca. 14 Mio. Euro) muss aufgestockt werden.
Unsere Forderung ist: Das eBook muss dem gedruckten Buch rechtlich vollständig gleichgestellt werden.
Untenstehend finden Sie einige weitere Fragen und Antworten für die weiteren Diskussionen:
Büchereien und Bücher:
Büchereien stellen sicher, dass alle Menschen unabhängig von eigenen Möglichkeiten Zugang zu Literatur, Wissen und Information erhalten. Das Buch stellt nach wie vor das nachhaltigste Medium dar.
Lesen bildet. Lesen zwingt zur Entschleunigung, zum Nachdenken und zum Gebrauch der eigenen Fantasie. Kein anderes Medium – außer dem gesprochenen Wort – bewirkt tiefgreifendere Veränderungen im Bewusstsein der Menschen. Gute Bücher fördern zudem den Sprachgebrauch und damit das Denken.
In den vergangenen Jahren hat das Buch gegenüber den Medien der Flüchtigkeit und der Oberflächlichkeit wie dem Fernsehen deutlich verloren. Das Buch braucht Freunde und Unterstützer.
Unsere Forderung:
Der Deutsche Bibliotheksverband und seine Mitglieder wie der Borromäusverein und der Sankt Michaelsbund setzen sich dafür ein, dass Büchereien auch bei eBooks aus allen auf dem Markt erhältlichen Werken gleich nach Erscheinen auswählen, sie lizenzieren und verleihen können. Dies muss auch mit einer Ausweitung und Erhöhung der „Bibliothekstantieme“ einhergehen, damit Autorinnen und Autoren sowie Verlage für die eAusleihe ebenfalls, wie für gedruckte Bücher, eine zusätzliche Vergütung von Bund und Ländern bekommen.
Welche Titel können durch die Sperrfrist derzeit in Bibliotheken nicht als E-Book verliehen werden?
Beim „E-Lending“ – also der temporären Bereitstellung einer Nutzungslizenz für ein elektronisches Buch – wird den Bibliotheken ein zeitlicher Riegel vorgeschoben. Viele Neuerscheinungen, darunter viele Titel der SpiegelBestsellerliste (Belletristik und Sachbücher) werden Bibliotheken in 70% der Fälle bis zu einem Jahr vorenthalten. Eine aktuelle Übersicht, welche eBooks nicht über die „Onleihe“ erhältlich sind, finden Sie auf: lizenzinitiative.onleiheverbundhessen.de/spiegel-bestseller.html
„Kannibalisieren“ Bibliotheken den eBook-Markt?
Einige Verlage sind der Meinung, dass jedes eBook, das von einer Bibliothek ausgeliehen wird, ein verlorener Verkauf ist und dass die eBook-Ausleihe so ihren Gewinn schmälert, also den Markt „kannibalisieren“. Tatsächlich gehören Bibliotheksnutzerinnen zu den aktivsten Käuferinnen am Buchmarkt – sowohl bei gedruckten Büchern als auch bei eBooks. Dies wird auch in der „Onleihe“-Studie des Börsenvereins erneut belegt.
Ist die eAusleihe in Bibliotheken das Gleiche wie eine kommerzielle Flatrate?
Der „Verleih“ eines eBooks durch eine öffentliche Bibliothek ist nicht mit kommerziellen Flatrates vergleichbar, bei denen man mit einem monatlichen Abonnement auf alle Angebote unbegrenzt zugreifen kann. Bibliotheken haben keine Abo-Modelle. Sie teilen die aus öffentlichen bzw. kirchlichen Mitteln beschafften Medien mit den Menschen in ihrem Einzugsgebiet. Zum Schutz des Buchmarktes wird bei der eAusleihe mit restriktiven Leihmodellen die analoge Ausleihe nachgebildet, indem zeitgleich nur eine Person mit Bibliotheksausweis ausleihen kann und die Lizenzen zeitlich befristet sind.
Die eAusleihe funktioniert folgendermaßen:
- Für jedes eBook, das eine Bibliothek verleihen möchte, muss sie eine Lizenz erwerben. Zum Schutz des Buchmarktes gilt wie bei gedruckten Büchern: „eine Kopie, ein Ausleiher“. Das stellt sicher, dass ein eBook zeitgleich nur von einer einzigen Person gelesen werden kann. Alle anderen Nutzer*innen können sich auf eine Warteliste setzen lassen.
- Bei einer üblichen Ausleihfrist von zwei bis drei Wochen kann ein eBook daher höchstens 18- bis 26-mal im Jahr ausgeliehen werden. Tatsächlich wird es durchschnittlich 6-mal im Jahr ausgeliehen.
- Bibliotheken zahlen für die Lizenzen deutlich mehr als private Käufer*innen, da in den Lizenzen das Recht zum Verleih mitbezahlt wird.
- Die Lizenzen, die Bibliotheken erwerben, sind zeitlich befristet, auch um die Abnutzung von Büchern zu simulieren.
- Die Ausleihe von eBooks ist strikt begrenzt auf Bibliothekskundinnen mit einem Bibliotheksausweis. Dies stellt sicher, dass die Nutzerinnen nur im jeweiligen Einzugsgebiet eBooks leihen können.
Es ist irreführend, dieses Modell des niederschwelligen, aber zum Schutz des Buchmarktes künstlich verknappten Zuganges mit unbegrenzten Flatrates von kommerziellen Anbietern zu vergleichen.
Sind Bibliotheken schuld an der niedrigen Vergütung von Autorinnen und Autoren?
Der Anteil der Vergütung aus Kauf oder Verleih für die Autor*innen wird immer in Verträgen zwischen Verlagen und Autor*innen ausgehandelt. Hier sind Bibliotheken nicht beteiligt. Manche Autoren und Verlage vermitteln den gänzlich unzutreffenden Eindruck, dass die Öffentlichen Bibliotheken allein für Marktentwicklungen von eBooks verantwortlich seien.
Beim physischen Buch funktioniert die zusätzliche Vergütung an Autorinnen und Autoren pro Ausleihe in Bibliotheken folgendermaßen: Auf Grundlage der gesetzlichen Regelung für den Verleih durch nicht kommerziell tätige Bibliotheken zahlen Bund und Länder für jede Ausleihe eines physischen Werkes eine Vergütung, die sog. „Bibliothekstantieme“, und zwar zusätzlich zum Kaufpreis eines gedruckten Buches, den die Bibliothek zuvor aus Steuergeldern bezahlt hat. Die Bibliothekstantieme belief sich 2018 auf 15 Mio. Euro bei 350 Mio. Ausleihen; im Mittel wird damit jede Buchausleihe zusätzlich zum Kaufpreis mit 4,3 Cent an die Autorinnen und Autoren vergütet.
Grund dafür, dass die Autorinnen und Autoren beim eBook-Verleih derzeit nicht neben ihrem Anteil aus der Lizenz zusätzlich für einzelne Ausleihen vergütet werden, ist, dass es – anders als beim gedruckten Buch – noch keine gesetzliche Grundlage für die Bibliothekstantieme im elektronischen Bereich gibt.
Werden Autor*innen und Verlage „zwangsenteignet“, wenn es eine gesetzliche Regelung gibt?
Bei physischen Werken haben Bibliotheken seit 1972 das Recht, aus allen auf dem Markt erhältlichen physischen Werke auszuwählen, zu kaufen und sie an ihre Nutzer*innen zu verleihen. Bibliotheken stellen damit ein Grundrecht sicher – nämlich, dass alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund, ungehindert auf frei zugängliche Information zugreifen können.
Der dbv setzt sich dafür ein, dass Bibliotheken auch bei eBooks aus allen auf dem Markt erhältlichen Werken auswählen, lizenzieren und verleihen können. Damit fordern Bibliotheken nichts anderes, als dass das oben erwähnte Grundrecht auch auf die digitale Welt ausgeweitet wird. Dies muss mit einer Ausweitung und Erhöhung der Bibliothekstantieme einhergehen, damit Autorinnen und Autoren für die elektronische Ausleihe ebenfalls eine zusätzliche Vergütung bekommen.
Die Stellungnahme des Deutschen Bibliotheksverbandes können Sie über diesen Link (pdf) lesen bzw. herunterladen.