Frankissstein
1816 hat Mary Shelley am Genfer See die Idee zu ihrem Roman "Frankenstein". Mit ihrem Mann Percy Bysshe Shelley bereist sie Europa, während ihr Roman langsam, aber sicher Gestalt annimmt. Rund 200 Jahre später beschäftigt sich der Arzt Ry Shelley mit den Auswirkungen, die Roboter auf unsere Gesundheit haben könnten. Ry ist transgender, also ein Mann, der als Frau geboren wurde und durch Hormone und - in seinem Fall - durch die Entfernung der Brüste - als Mann lebt. Als Mediziner ist sein Fachgebiet die Transplantationsmedizin. Ry Shelley lernt den undurchsichtigen Wissenschaftler Victor Stein kennen und lieben, eine für beide durchaus verwirrende Beziehung, denn Ry hat - abgesehen von den amputierten Brüsten - nach wie vor einen weiblichen Körper. Victor Stein entwickelt Microchips, die Prothesen und transplantierten menschlichen Gliedmaßen zu menschlichen Bewegungsabläufen verhelfen sollen. Insgeheim forscht er außerdem am Transfer des menschlichen Gehirns oder besser dessen "Inhalts" - Erfahrungen, Wissen, Persönlichkeit - auf Maschinen. Bei einem solchen Experiment kommt es zu Komplikationen und Stein ist spurlos verschwunden. - Jeanette Winterson hat einen unterhaltsamen, intelligenten und mitreißenden Roman über Frankenstein und seine Erben geschrieben, dem auch eine Prise Mystery nicht fehlt, mit dem sie auf sehr elegante Weise Fragen anspricht, die sich aus der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, der Optimierung des menschlichen Körpers durch Implantate bis hin zu Versuchen, das Leben drastisch zu verlängern, ergeben. Wo sind die Grenzen? Was verbindet uns eigentlich mit unserem Körper und unserem Geschlecht? Äußerst lesenswert. (Übers.: Michaela Grabinger u. Brigitte Walitzek)
Christoph Holzapfel
rezensiert für den Borromäusverein.
Frankissstein
Jeanette Winterson ; aus dem Englischen von Michaela Grabinger [und einer weiteren]
Kein & Aber (2019)
394 Seiten
fest geb.
Auszeichnung: Roman des Monats