Der Ernst des Lebens
Dass das Leben ernst, die Kunst aber heiter ist: Diese antike Weisheit dreht und wendet Ulrich Peltzers neuer Roman in vielerlei Hinsicht. Gewiss, der Protagonist hat ein ernstes Drogen- und Alkoholproblem, er verzockt alles, was er hat, auch leihweise,
und kommt nach zwei stümperhaften Raubüberfällen ins Gefängnis. Doch wir lernen am Anfang einen Ich-Erzähler kennen, der auf diesen Absturz in seinem Leben gnädig, ja geradezu versonnen und mit genauen Beobachtungen, auch von sich selber, reagiert. In Rückblicken hören wir von einem vagabundierenden Städtebewohner, der seinen Alltag in Spielhallen, bei Dealern und eine Zeitlang auch mit einer promovierenden Freundin verbringt. In der Gegenwart ist dieser Erzähler ein Anlage- und Vermögensberater, der mit windigen Geschäften hantiert, sich aber ein wohlhabendes Leben leisten kann. Peltzers Roman überzeugt durch milieudichte Beschreibungen der Spielerszene, des Kreislaufs aus Selbstentschuldigungen, gebrochenen Versprechen, aus Scham und Schulden, in dem der Spielsüchtige gefangen ist. Wo ist die Lücke im Glück, das ihm am Ende widerfährt? Welche Rolle spielt seine Herkunft von einem niederrheinischen Bauernhof? Worauf ist Verlass in einem Leben, das sich als Dauerwettbewerb versteht? Und was haben ihm die Romane und Gedichte aus der Gefängnisbibliothek geholfen? Ulrich Peltzer erzählt von einem heiteren Rückblick auf ein vermurkstes Leben, spannend, einfallsreich, dicht.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.

Der Ernst des Lebens
Ulrich Peltzer
S. FISCHER (2024)
300 Seiten
fest geb.