Die Nibelungen

Helden sind immer nur die, die von ihren Verehrern dazu gemacht werden. Auf dieser postheroischen Einsicht fußt der neue Roman von Felicitas Hoppe. Er handelt von den Nibelungen, dem wohl größten und folgenreichsten deutschen Beitrag zur Geschichte Die Nibelungen der Heldenliteratur. Wer Hoppes findelustige Romane kennt (über Johanna von Orleans, über Iwein Löwenritter, über sich selbst), wird sich über den Angang der Geschichte nicht wundern. Die Autorin hat aus dem nationalistisch oft verhunzten Stoff ein fabelfrohes Reenactment gemacht, orientiert an Fritz Langs Stummfilm aus dem Jahre 1924 und an den Nibelungen-Festspielen auf dem Wormser Domplatz, die seit 2002 diverse Interpretationen des Mythos liefern. Die Story vom Drachentöter und Schatzhüter Siegfried, der Streit der Königinnen Kriemhild und Brunhild, die Festmähler und Jagdausflüge, Hagens Mord an Siegfried und Kriemhilds grausame Rache an der eigenen Familie: Das alles wird von Hoppe in drei Akten nacherzählt, aber nicht strophisch nachdichtend und auch nicht aus der dramatischen Mitte des Geschehens, sondern als Kommentar zu einem großen Bühnendrama. Diesen Kommentar erzählt eine Randfigur in einem Beiboot. Sie weiß viel, vermutet manches, sie kennt die Schauspieler ebenso gut wie die Verfilmungen und Nachdichtungen der Nibelungen und hat stets einen guten Draht zum Publikum. Das Rezept ihres Kommentars lüftet sie gleich am Anfang: Die wahren Helden sind nicht die Figuren im Mythos, auch nicht die Schauspielenden, die sich auf der Bühne abmühen. Der Held der Nibelungen ist der nach ihnen benannte Schatz. Er ist unsichtbar, aber trotzdem sprechend, versunken, aber in aller Munde, unsterblich wie die Sehnsucht, ihn zu bergen. Damit tut sich auch eine religiöse Ebene auf. Aber schon beim ersten Lesen ist Hoppes Roman ein Genuss, geistreich, originell, leichthändig, mit Tempo und Tiefgang erzählt. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Die Nibelungen

Die Nibelungen

Felicitas Hoppe
S. Fischer (2021)

249 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 606415
ISBN 978-3-10-032458-0
9783100324580
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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