Die Rattenlinie
Über das als "Rattenlinie" bezeichnete Netzwerk konnten sich zahlreiche hohe Nazis durch Flucht der Strafverfolgung entziehen. Auch Otto Wächter, der als ehemaliger Stellvertreter des Generalgouverneurs Hans Frank im besetzten Polen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich gemacht wurde, tauchte nach Kriegsende unter und versuchte, über Rom nach Südamerika zu entkommen. Der Fluchtversuch endete 1949 mit seinem Tod in einem vatikanischen Hospital. Der englische Autor, dessen jüdischer Großvater in Lemberg Opfer des Holocaust wurde, zeichnet das Leben seines Protagonisten und frühen Gefolgsmannes Hitlers akribisch nach: Spross einer großbürgerlichen Wiener Familie, Jurastudium, Beteiligung am Putschversuch gegen den österreichischen Kanzler Dollfuß 1934, steile Karriere in SS und SD nach dem "Anschluss". Horst Wächter, der seinen Vater Otto von Schuld freisprechen möchte, ermöglichte dem Autor für seine Recherchen die Nutzung des umfangreichen privaten Nachlasses (Briefe, Tagebücher, Fotos, Dokumente). So entsteht eine sehr detaillierte, quellennahe und lebendige Darstellung, die allerdings im letzten Teil des Buches, der sich mit den Umständen des Todes von Otto Wächter beschäftigt, deutliche Längen aufweist. - Eine insgesamt hochinteressante Fallstudie, die in größeren Büchereien nicht fehlen sollte.
Johann Book
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Rattenlinie
Philippe Sands ; aus dem Englischen von Thomas Bertram
S. Fischer (2020)
544 Seiten : Illustrationen, Karte
fest geb.