Die Bezirksstadt

Auf den ersten Blick erscheint alles in der kleinen, böhmischen Bezirksstadt friedlich: Wie es sich zu Beginn des 20. Jh. gehört, hat jeder seinen festen Stand in der Gesellschaft und bemüht sich darum, diesen auch zu wahren. Im Fokus des Romans Die Bezirksstadt steht die jüdische Kaufmannsfamilie Stedry mit dem alten Kaufmann und seiner zweiten Ehefrau sowie den drei Söhnen aus erster Ehe, Kamil, Viktor und Jarousek. Diese könnten nicht verschiedener sein. Während Kamil zunächst als Handlungsgehilfe scheitert und dann zu einem erfolgreichen Geschäftsmann in der Großstadt aufsteigt, entschließt sich Viktor schon als kleiner Junge, auf seinen Stand zu verzichten und stattdessen Monteur zu werden, da ihn Maschinen faszinieren und abgehobene Manieren langweilen. Schließlich dominiert die Erfindung elektrischer Maschinen das Jahrhundert. Der kleine Jarousek, der Liebling seiner Stiefmutter, ist schon von klein auf eine introvertierte Leseratte, dem das Studium vorbestimmt ist. - Polacek malt das Bild einer kleinen, konservativen Bezirksstadt, in der jeder alles über den anderen weiß, in der man dem Nachbarn sein Geschäft neidet oder sich um eine Frau prügelt, und es fortwährend zu Konflikten zwischen Christen und Juden kommt, die dennoch Seite an Seite leben. Darüber schwebt die kommentierende Stimme des Bettlers Chleboun, die sich über den Sittenverfall der Jugend und die neuen Zeiten beschwert, in der sowohl die Ständeordnung als auch die Religion aufgebrochen werden. - Ein packendes Buch, das den Leser in eine böhmische Welt vor hundert Jahren eintauchen lässt. Sehr zu empfehlen. (Übers.: Antonín Brousek)

Clara Braun

Clara Braun

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Bezirksstadt

Die Bezirksstadt

Karel Polácek
Reclam (2018)

383 S.
fest geb.

MedienNr.: 906232
ISBN 978-3-15-011183-3
9783150111833
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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