Mein Russland
In elf Begegnungen gibt Carola Schneider, ORF-Korrespondentin in Moskau, ganz unterschiedlichen Menschen - Journalisten, Künstlern, Menschenrechtlern, Bauern, jungen und alten Leuten, Putin-Befürwortern, Regimekritikern - eine Stimme und vermittelt
so ein Bild Russlands, das selbstverständlich subjektiv und keinesfalls repräsentativ ist. Anhand dieser Einzelschicksale aus Moskau, Sibirien und der Krim werden verschiedene Themenbereiche wie Politik, Wirtschaft, steigender Einfluss der orthodoxen Kirche und Korruption angesprochen, aber auch private Schwierigkeiten und Erfolge. So stimmt z.B. die Unerschrockenheit und Beharrlichkeit junger Demonstranten, die gegen Polizeiwillkür und Korruption auf die Straße gehen, die 90-jährige Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa optimistisch, während der Künstler Wassilij Slonow, der die Realität seines Landes satirisch und ironisch aufarbeitet, meint: "Eine solche Konzentration an Ungerechtigkeit, Unglück und Lüge ... ist ohne Ironie und Selbstironie nicht zu ertragen." Dagegen beurteilt das junge Unternehmerpaar Julia und Iwan Marjucha die Lage pragmatisch: "Insgesamt geht es uns doch ziemlich gut." Insgesamt zeigen die Interviews eher Resignation als Aufbruchstimmung, vor allem aber den Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden. - Interessant und gut zu lesen!
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Mein Russland
Carola Schneider
Kremayr & Scheriau (2017)
158, [8] S. : Ill. (farb.)
fest geb.