Das Abenteuer der Inspiration
In dieser Sammlung von 27 Essays nähert sich der Schriftsteller und Literaturkritiker Otto A. Böhmer unterschiedlich seinem jeweiligen "Gegenstand", so eher nüchtern, distanziert Lessing oder Herder, sehr einfühlsam Droste-Hülshoff, bewundernd Heine, ein bisschen spöttisch Brentano. Typisch für ein Essay wird jeweils ein möglichst charakteristischer Wesenszug des jeweiligen Schriftstellers in den Mittelpunkt gerückt, so bei Goethe das Werther-Erlebnis. Die Darstellung ist in sich stimmig, überzeugend. Die vielen und vor allem langen Zitate wie auch der Prosa-Abdruck von Gedichten stören allerdings. Gelegentlich formuliert Böhmer gewollt umständlich, was witzig oder amüsiert wirken soll; mitunter klingt seine Sprache an germanistische Veröffentlichungen der 50er Jahre an. Auf Stellungnahmen, wie z.B. W. G. Sebalds schlimmen Vorwurf gegen Alfred Andersch oder Saul Friedländers jüngst geäußerte Sexualtheorie für Kafkas Schuldgefühle (s. Friedländer: Kafka, in diesem Heft) wird nicht eingegangen. Auch die angegebene Sekundärliteratur ist nicht auf dem neuesten Stand, will sie doch nur festhalten, welche Werke für Böhmer wichtig waren. Die dichterische Inspiration, die dem Vorwort und der Sammlung den Namen gegeben hat, wird später wenig thematisiert. - Insgesamt liegt mit der gefälligen Ausgabe aber eine interessante, für das Bildungsbürgertum anregende Hinführung zur deutschen Literatur vor.
Bernhard Grabmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Das Abenteuer der Inspiration
Otto A. Böhmer
Diogenes (2012)
423 S.
fest geb.