Auf der Strecke
Tod im Nachtzug von Wien nach Berlin. Der strangulierte Tote ist niemand anderes als der neue literarische Nachwuchsgenius Xaver Pucher. Sein Tod setzt zwei Mordkommissionen in Wien und Berlin in Bewegung und verschiedene Handlungsstränge. Da ist die Geschichte bis zum Tod Puchers, da ist die Darstellung der Oberflächlichkeit der sogenannten Eliten in Literatur, Politik und Finanzwirtschaft, die Verwicklungen aufgrund alter Finanzverflechtungen der Kommunistischen Parteien der DDR und Österreichs. Die "Roten" in der Alpenrepublik haben hier schwarzes Geld weiß gewaschen. Ein gewendeter Altkommunist gibt den deutschen Berlusconi. Hier heißt er Meyer-Kötterheinrich. Da ist die Sehnsucht nach Beziehung und tieferer Menschlichkeit, die aus den Figuren der polizeilichen Protagonisten hervorscheint und oft in schnellem Sex endet. Da ist die intensive Beschreibung der Metropolen Wien und Berlin. Anna Habel in Wien und Thomas Bernhard in Berlin - Welten treffen hier aufeinander: die junge, dynamisch-eloquente Enddreißigerin und der melancholische Mittfünfziger. Aus der anfänglichen Rivalität wird eine Affäre. Ausgang offen. Unterwegs gibt es drei Tote und ein wirkliches Finale Furioso, das alles aufklärt. Stark sind die erzählerischen Übergänge bei den Ortswechseln. Diese sind derart brillant, dass sie fast einer filmischen Collage gleichkommen. Kommt das Buch anfangs nur schwer in Fahrt, ist die Geschwindigkeit im letzten Drittel schier atemberaubend. Spannend, kurzweilig, hintergründig und lesenswert - für alle Büchereien.
Karsten Steil-Wilke
rezensiert für den Borromäusverein.
Auf der Strecke
Claus-Ulrich Bielefeld ; Petra Hartlieb
Diogenes (2011)
Diogenes-Taschenbuch ; 24068
358 S.
kt.