Wilde Mutter, ferner Vater
Die Berliner Autorin Jutta Voigt ist ein Kriegskind und in der DDR aufgewachsen. Sie studierte Philosophie und arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Magazinen. In ihrem neuesten Buch blickt sie auf ihre Kindheit zurück (sie nennt sich Judy) und auf ihre Eltern Margit und Willi, die sich als Teenager kennenlernten und dann um ihr Leben betrogen wurden. Denn als sich Willi widerwillig zur Flak meldet, ist Margit bereits schwanger. Als Willi nach 10 Jahren Krieg und Gefangenschaft zurückkommt, kann er nicht über seine Erlebnisse sprechen, nur der Alkohol hilft. Seine Tochter Judy wird die Aufsteigerin der Familie. Sie studiert und lernt mit 17 Jahren den Brecht-Schüler Henri kennen. Damit steigt sie ein in die Berliner Künstler-Boheme. Als Journalistin widmet sie sich der „Wirklichkeit, wie sie ist, nicht, wie sie sein soll“. Der DDR-Journalismus war fixiert auf Parteitage und die Helden der Arbeit. Im Wochenblatt „Sonntag“ kann sie über die ihr wichtigen Dinge schreiben, über die Details am Rande. - Damit verklärt die Autorin ein wenig den Alltag in der DDR, gibt aber einen interessanten Einblick in die Utopie der 50er/60er-Jahre und in den Verfall der Utopie der 70er/80er-Jahre.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Wilde Mutter, ferner Vater
Jutta Voigt
aufbau (2022)
255 Seiten
fest geb.