Robinsons blaues Haus
Der jüngst erschienene Roman des in München lebenden Schriftstellers Ernst Augustin (Jahrgang 1927) fasziniert durch bizarre Einfälle und überraschende Wendungen. Im Mittelpunkt steht ein Ich-Erzähler, der sich als Butte Beerbohm, Thomas Hilprecht jr., Freddy sowie als Don Marco Marconi alias Mr. Dobs ausgibt. Dass er sich darüber hinaus auch als Robinson vorstellt, hängt mit seiner Vorliebe für abgelegene Domizile zusammen, in denen der sich bedroht Fühlende Schutz und Geborgenheit sucht. Bereits als Heranwachsender "von tiefer Besorgnis" erfüllt, orientiert er sich an den Maximen seines Vaters, für den "die Kunst des Mittelmaßes" das Überleben garantiert. Da der im Bankgeschäft Tätige diesem Grundsatz untreu wird, nach Luxemburg übersiedelt und einen Maybach fährt, entwickelt auch sein Sohn Arroganz und Anspruchsdenken. Wenn dessen abenteuerliche Lebensreise auf einer Südseeinsel endet, plant er "ein poetisches Haus", das ihm den Rückzug in sich selbst ermöglicht. - Indem der virtuos erzählende Schriftsteller in die fiktive, hintergründig humorvolle und vielfarbige Robinsonade reales Geschehen einbezieht, bleibt er Zeitkritik nicht schuldig. Die detailreiche Beschreibung der dem Protagonisten zugedachten, z.T. skurril anmutenden Aufenthaltsorte sowie das wiederholt verwendete Motiv der Verwandlung lassen den Roman zur spannend-unterhaltsamen Lektüre werden.
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Robinsons blaues Haus
Ernst Augustin
Beck (2012)
319 S.
fest geb.