Willkomm und Abschied
In der Erinnerung des alten Goethe lebte sie noch einmal auf: Friederike von Brion, die Pfarrerstochter zu Sesenheim, die den Straßburger Studenten zu den wunderbaren Sesenheimer Liedern inspirierte. Mit einem kritischen, aber auch sehr verständigen Auge arbeitet der Literaturwissenschaftler H. Koopmann aus der literarischen Überlieferung Goethes und den Erinnerungen seiner Zeitgenossen den historischen Kern dieser ebenso "leidenschaftlichen wie unglücklichen Beziehung" heraus, der sich Goethe nach kurzer Zeit und wohl nicht ohne schlechtes Gewissen wieder entwand. Aber nicht auf der ohnehin nicht mehr ganz zu entschlüsselnden Historie liegt der Schwerpunkt dieses ausgezeichneten Buches, sondern auf dem fantasievollen Rollenspiel, das der künftige Dichterfürst mit diesem Mädchen trieb. Mit Goethe, so schildert es Koopmann, brach etwas Chaotisches, Unbürgerliches in das protestantische Sesenheimer Idyll ein, das mit Hilfe von Herders Poetologie die Bindung an die Kunst-Welt des Rokoko überwand und zum Naturhaften der Sturm-und-Drang-Dichtung durchbrach. Friederike sei für Goethe die Personifizierung dieses Naturhaften schlechthin gewesen, unersetzlich für seine Entwicklung als Dichter, aber damit doch nur ein Mittel zu einem literarischen Zweck. - Für literaturgeschichtlich Interessierte.
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Willkomm und Abschied
Helmut Koopmann
Beck (2014)
299 S. : Ill.
fest geb.