Die Posaunen von Jericho

Der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer hat seine Erzählung "Die Posaunen von Jericho" als eines seiner besten Werke bezeichnet. Sie eignet sich auch dafür, diesen Romancier kennenzulernen, der die Zeit am Anfang des 20. Jh. in Wien Die Posaunen von Jericho eingefangen hat. Der namenlose männliche Erzähler überrascht einen gewissen Rambausek, wie er ein kleineres Mädchen sexuell bedrängt. Er bestraft diesen Sünder. Doch er selber macht sich an die Mutter des Mädchens heran, glaubt sich dabei aber von Rambausek ertappt. Seine innere Erregung wird in einem wilden nächtlichen Bläserkonzert mit Saufgelage deutlich. Mit den "Posaunen" will eine Männerhorde die Wohnungsvermieterin der Hauptperson bestürmen, wie einst die Israeliten die Mauern der Stadt Jericho mit Posaunen zum Einsturz gebracht haben. Diese ältere Dame ist aber gar nicht zu Hause. Als das am Anfang der Erzählung genannte kleine Mädchen in die Donau fällt, rettet sie ihr ehemaliger Peiniger und ertrinkt dabei fast. Der gut bürgerlich sich gebende Erzähler trägt zu seiner Rettung bei, fährt dann aber mit dem Zug davon. Ihn zeichnet eine gewisse Kälte und Arroganz sowie eine deutliche Abneigung gegenüber Kleinbürgern aus. - Der Autor behandelt hier sein Hauptthema, den Einbruch des Chaos - hier in Gestalt von Rambausek das sexuelle Verlangen - in das Leben des Einzelnen. In einem Nachwort charakterisiert der Schriftsteller Thomas Melle das Geschehen als "Auslagerung des Gewissens" und zeigt vielfache Beziehungen auf.

Bernhard Grabmeyer

Bernhard Grabmeyer

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Posaunen von Jericho

Die Posaunen von Jericho

Heimito von Doderer ; mit einem Nachwort von Thomas Melle
C.H.Beck textura (2020)

79 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 600554
ISBN 978-3-406-74958-2
9783406749582
ca. 14,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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