Keine Posaunen vor Jericho
Bereits 2001 erschien die erste Ausgabe des erfolgreichen Sachbuchs über die Historizität der Bibel, genauer gesagt der hebräischen Bibel, die im Christentum dem Alten Testament entspricht. Die Archäologen Finkelstein und Silberman gehen dem historischen
Wahrheitsgehalt einzelner biblischer Erzählungen auf den Grund und kommen dabei zu spannenden Ergebnissen. Zum Beispiel der Auszug aus Ägypten im Buch Exodus hat sich, diesen Erkenntnissen zur Folge, nie ereignet. Er ist vielmehr ein Produkt langer Rivalität zwischen Ägypten und Juda. Auch haben, wie der Titel des Buches bereits ankündigt, keine Posaunen Jerichos Stadtmauern zum Einsturz gebracht, da zum Zeitpunkt der Eroberung durch Josua keine Stadtmauer das historische Jericho umgab. Der historischen Wahrheitsfindung ist leicht zu folgen und das Lesen der Ausführungen unterhaltsam. Denn den Autoren ist bewusst, dass der eigentliche Schatz der Bibel nicht in deren Historizität verborgen liegt. So schreiben sie in Bezug auf die Exodus-Geschichte: "Es wäre ein Verrat an der eigentlichen Bedeutung dieser Geschichte, wolle man das biblische Bild auf ein einziges Datum fixieren" (S. 85). Es geht den Autoren weniger um eine Enthüllungsgeschichte, sondern um ein besseres "Verständnis" (S. 339) der Bibel. Die archäologischen Funde und historischen Fakten machen begreifbar, wie sich aus einer kleinen Minderheit Israel mit einem eigenen Identitätsgefühl gebildet hat. Wie identitätsstiftend diese jahrtausendealten Erzählungen sind, kann auch heute noch beobachtet werden. Vor diesem Hintergrund ist die Neuauflage mehr als 20 Jahre nach Erscheinen immer noch aktuell.
Sebastian Heuft
rezensiert für den Borromäusverein.

Keine Posaunen vor Jericho
Israel Finkelstein, Neil Asher Silberman ; aus dem Englischen von Miriam Magall
C.H.Beck (2023)
381 Seiten : Illustrationen, Karten
kt.