Sklavenkind
Frauen sind in weiten Teilen Nepals nicht viel wert. Die Familien sind arm und oft so verzweifelt, dass sie ihre Töchter als Kamalari (übersetzt: hart arbeitende Frau) verkaufen. Dieses Schicksal erlitt auch die Autorin Urmila Chaudary. Mit sechs Jahren wurde sie für umgerechnet 40 Euro an einen Sklavenhändler verkauft, um erst für eine wohlhabende Familie, später für eine bedeutende Politikerin zu arbeiten. Sie schuftete bis zu 18 Stunden täglich, während die Kinder ihrer Herrin zur Schule gingen, schlief auf dem Boden, während der Rest der Familie die Nacht in weichen Betten verbrachte, und war Anfeindungen und Demütigungen ausgesetzt, während andere Kinder Liebe und Fürsorge bekommen. Erst nach elf Jahren der Ausbeutung kann sie nach Hause zurückkehren. Von dem Geld, das sie in all den Jahren verdiente, hat sie bis heute keinen Cent gesehen. Doch Urmila Chaudary ist stark, mithilfe einer Hilfsorganisation kann die heute 21-Jährige nun eine Schule besuchen, will später Anwältin werden. Schon jetzt setzt sie sich für die Rechte der Kamalari ein, organisiert als Präsidentin des Kamalari-Forums Demonstrationen und Befreiungsaktionen verkaufter Kinder, welche häufig auch Opfer gewalttätiger und sexueller Übergriffe sind. - Die Journalistin Nathalie Schwaiger erzählt zusammen mit Urmila Chaudary die Geschichte dieses beachtenswerten Mädchens, schockierend und schonungslos. Und dennoch wirkt nichts übertrieben, wird nicht auf die Tränendrüse gedrückt und um Mitleid gebettelt. Es ist ein ehrliches Buch, das auf die Missstände in Nepal aufmerksam macht und die Leser für ein Thema sensibilisiert, welches in Deutschland wenig thematisiert wird. Das Vorwort von Senta Berger und das Nachwort von Nathalie Schwaiger reflektieren die Geschichte aus westlicher Sicht, ein Glossar nepalesischer Begriffe trägt weiterhin zum Verständnis bei. Sehr empfehlenswert!
Aline Ehrenreich
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Sklavenkind
Urmila Chaudhary mit Nathalie Schwaiger
Knaur (2011)
319, [8] S. : Ill. (farb.)
fest geb.