Vor ihren Augen

Caroline Cashion ist Universitätsdozentin, Single und Mitte dreißig, als ihr Leben plötzlich aus den Fugen gerät: Bei einer Routineuntersuchung wird eine Kugel in ihrem Nacken entdeckt, die dort offenbar schon sehr lange steckt. Was sie zuerst Vor ihren Augen für einen Diagnosefehler hält, entpuppt sich im Gespräch mit ihren Eltern als bittere Wahrheit: Sie wurde als Kind adoptiert, nachdem ihre leiblichen Eltern von einem Unbekannten ermordet wurden. Jetzt ist es möglich, die Kugel aus ihrem Körper zu entfernen - und damit vielleicht den Täter endlich zu überführen. Caroline begibt sich in ihre Geburtsstadt und auf die Suche nach ihren Eltern, ihrem Mörder, und sich selbst - und schwebt plötzlich ebenfalls in großer Gefahr ... Das Erstlingswerk von Marie Louise Kelly ist ein leicht zu lesender, flüssig geschriebener Krimi. Man kann zwar darüber streiten, wie glaubwürdig die Geschichte und die Entwicklungen der Hauptfigur sind, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, sie macht jedoch Spaß, vor allem, weil die Protagonistin sehr sympathisch dargestellt wird. Bis zum fünften Teil des Buches handelt es sich also um einen seichten (schlecht übersetzten und / oder lektorierten - eine Person heißt z.B. mal Brett, mal Britt, und auch der Umgang mit dem Namen von Carolines Eltern wirkt merkwürdig), aber insgesamt doch hinreichend guten Krimi, die ideale Lektüre kurz vor dem Einschlafen. Der Schluss jedoch - Achtung: Spoiler - ist moralisch jedoch höchst fragwürdig. Die brave, unauffällige Dozentin besorgt sich, kurzerhand illegal eine Waffe, weil sie den Mörder ihrer Eltern ungeschoren davon kommen sieht, und erschießt den Mann, den sie für den Täter hält. Das scheint ihr keine großen Gewissensbisse zu verursachen und ein ermittelnder Polizist gibt ihr ungefragt Tipps, wie sie bei einer Befragung besser da steht. Dass sie den Falschen erschießt, und dabei von allen, inklusive der Ehefrau des vermeintlichen Täters, gedeckt wird, wird keineswegs kritisch hinterfragt, auch ein möglicher innerer Konflikt der Hauptperson wird nicht einmal ansatzweise erwähnt. Das Buch wirkt, als sei der Autorin am Ende die Luft ausgegangen. Schade! (Übers.: Eva Bonné)

Michael Ziemons

Michael Ziemons

rezensiert für den Borromäusverein.

Vor ihren Augen

Vor ihren Augen

Mary Louise Kelly
Goldmann (2016)

Goldmann ; 48386
413 S.
kt.

MedienNr.: 583202
ISBN 978-3-442-48386-0
9783442483860
ca. 9,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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