Mit anderen Augen

Helmut Oehring wird 1961 in Ost-Berlin als hörendes Kind gehörloser Eltern geboren. Somit ist die Gebärdensprache seine Muttersprache. Das macht ihn zum Außenseiter und durch seine Zurückhaltung zudem zum Opfer. Seine zehnjährige Schulzeit und Mit anderen Augen die anschließende Lehre beim VEB Autobahnbaukombinat Dresden sind von Demütigungen und Quälereien gekennzeichnet. Danach folgt eine Zeit der Kriegsdienstverweigerung, Drogenabhängigkeit, Obdachlosigkeit. Erst mit fünfundzwanzig Jahren beginnt er, sich die Notenschrift beizubringen und zu komponieren, ohne Musiktheorie und Grundlagen der Komposition gelernt zu haben. Doch der Autodidakt arbeitet hart, findet zur rechten Zeit Menschen, die ihm den weiteren Weg ebnen und kann als "einer der weltbesten Langsamstartspätzünder" bald Erfolge verzeichnen. Er fühlt sich zur modernen und experimentellen Musik, wie von z.B. Arnold Schönberg hingezogen und baut immer wieder Gehörlose mit ihren Gebärden in die Aufführungen seiner Werke ein, lässt sie die Welt der Hörenden erobern. Gebärdensprache und Musik sind für Oehring Geschwistersprachen. Für ihn, der von Kindheit an Dolmetscher seiner Eltern und ihnen eine Brücke in die hörende Welt war, ist Gehörlossein kein Makel. Er bewundert die poetische Ausdruckskraft der Gebärdensprache. Helmut Oehring wirft mit diesem herausfordernden Buch wie auch in seinem musikalischen Werk aus einer ungewöhnlichen Perspektive einen kritischen Blick auf unsere Gesellschaft Er erzählt nicht chronologisch, verwendet oft Zitate, Fragmente und für Hörende ungewohnte Lautkombinationen, die das Buch zu einem besonderen Leseerlebnis werden lassen. - Gern empfohlen.

Birgit Fromme

Birgit Fromme

rezensiert für den Borromäusverein.

Mit anderen Augen

Mit anderen Augen

Helmut Oehring
btb (2011)

255 S.
fest geb.

MedienNr.: 349702
ISBN 978-3-442-75296-6
9783442752966
ca. 19,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Bi
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