Unsichtbare Hand
An Adam Zagajewski (geb. 1945 in Lemberg) kommt man nicht vorbei, wenn man nach den poetischen Stimmen des osteuropäischen Aufbruchs in den Jahren des Mauerfalls und des Endes des staatlichen Kommunismus sucht. Bis 1982 hielt es Zagajewski noch in seinem Heimatland Polen aus, in dem er immer mehr mit Drohungen und Schikanen bedrängt wurde. Er wollte sich weder der staatlichen Zensurbehörde beugen noch sich den vorherrschenden Realismuskonzepten anpassen. Er ging in das Pariser Exil. Schrieb dort weiter Gedichte, veröffentlichte neue Bände, kehrte dann aber auch nach vielen Jahren wieder zurück in das "neue Polen". Von dieser Lebensreise zwischen Heimat, Exil, Nähe und Fremde handeln auch viele seiner neueren Gedichte. Von Krakau, seinem heutigen Lebensmittelpunkt, ist viel die Rede. In poetischen Bildern erinnert er sich an seine Kindheit, an die Studienzeit, an Reisen durch Europa, an die Konfrontation mit Kunstwerken. Allen Gedichten ist ein erzählender Grundton eigen, der dazu verführt, das Buch als eine Art Autobiographie zu lesen. Programmatisch für das gesamte Werk von Zagajewski ist sein Gedicht "Gedichte schreiben": "Gedichte schreiben ist ein Duell,/ bei dem es keinen Sieger gibt/ ... Ist das Weinen des Kindes, das den wertvollsten Schatz verlor." Vieles hat sich in Polen in den letzten Jahrzehnten verändert, vieles auch in atemberaubender Schnelligkeit. Trotzdem aber liegt für den Dichter über allem immer noch "die leichte Asche der Melancholie". (Übers.: Renate Schmidgall)
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Unsichtbare Hand
Adam Zagajewski
Hanser (2012)
Edition Lyrik Kabinett ; 24
130 S.
fest geb.