Die Abenteuer des Joel Spazierer

Wie viel Gutes kann im Bösen stecken? Der 1949 geborene Schriftsteller Michael Köhlmeier hat aus der Theodizeefrage eine heitere Höllenfahrt gemacht, im Kleid eines Schelmenromans. Der wird kurzerhand so erklärt: Er wird erzählt von einem Helden, Die Abenteuer des Joel Spazierer "der Schreckliches tut und Schreckliches erleidet, für ersteres nicht zur Verantwortung gezogen wird und an letzterem nicht zugrunde geht, weil eigentlich nicht sein Schicksal interessiert, sondern das seiner Zeit ...". Und diese Zeit meint es nicht gut mit dem Ich-Erzähler András Fülöp, der 1949 in Budapest zu Welt kommt. Traumatisiert, als er als kleines Kind tagelang allein gelassen wird, beginnt er ein Leben in Dauerkontakt mit dem Bösen, er wird Strichjunge, Erpresser, Dieb, Dealer, Mörder in Wien. Das Gefängnis übersteht er studierend. Als Hausmeister im Wiener Priesterseminar sondiert er die Nöte der Theologen, liest Meister Eckhart; 1979 geht er in die DDR und brüskiert als Professor für Atheismus an der Humboldt Universität in Berlin seine Studenten mit Fragen über die Existenz Gottes. Kein gebrochener, aber auch kein glücklicher Held tritt uns hier entgegen, sondern ein ebenso charmanter wie unheimlicher Beobachter seiner Zeit. Er kennt kaum Mitgefühl, und wenn der gute Weg zu beschwerlich wird, verlässt er ihn. Michael Köhlmeier erzählt mäandernd, ausschweifend, manchmal etwas selbstgefällig von einem, der auszieht, um Erlösung zu suchen, und sich - und damit auch uns - dabei ständig mit den Fragen nach Gut und Böse, Lüge und Wahrheit, nach der "friedlichen" und der grausamen "Seite der Schönheit" traktiert. Lange, nicht langweilige Lektüre. Für größere Bestände.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Die Abenteuer des Joel Spazierer

Die Abenteuer des Joel Spazierer

Michael Köhlmeier
Hanser (2013)

652 S.
fest geb.

MedienNr.: 574143
ISBN 978-3-446-24178-7
9783446241787
ca. 24,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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