Bungalow
"Axolotl roadkill" hat Helene Hegemann 2010 bekannt gemacht, der Roman wurde später verfilmt, ist in 20 Sprachen übersetzt und liefert mit dem amphibischen Molch im Titel gleich ein kleines Lesezeichen für die folgenden Romane: Hegemann erzählt zwischen Memoir und Coming-of-Age, Sozialreportage und Anti-Utopie. So auch in dem neuen (ihrem dritten) Roman "Bungalow" (auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2018). Die Story spielt in einer Stadt in nicht allzu ferner Zukunft, die Ozonschicht zwingt zu Hausarrest, Selbstmorde nehmen zu, ein Krieg bahnt sich an, die Gesellschaft ist gespalten: Charlie wird auf der kalten Seite groß, in einer Mietskaserne. Ihre Mutter ist alleinerziehend, Alkoholikerin. Vom Balkon kann man die beobachten, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren werden: Georg und Marie, ein erfolgreiches Schauspieler-Ehepaar, das Charlie in einen der Bungalows im (an das Berliner Hansaviertel angelehnten) besseren Stadtteil einziehen sieht. Es entwickelt sich zwischen diesen Figuren eine Art Hassliebe über die Grenzen der Gesellschaft hinweg, die in Formen von dekadenten Feiern, Gewaltausbrüchen und Selbstverstümmelungsversuchen, Stalking, Schulanekdoten und Junkfood-Beschreibungen durchgespielt wird. Hegemann erzählt bitterböse und bizarr, mit manchmal scharfsinnigem Blick für die Bruchstellen einer volldigitalisierten Überflussgesellschaft. Ein ungezogener, heftiger Roman, eine bedenkenswerte Zukunftsperspektive auf Armut und Massengesellschaft.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Bungalow
Helene Hegemann
Hanser Berlin (2018)
282 S.
fest geb.