Ihr gelobtes Land
Das gelobte Land, das der Titel dieses eindrucksvollen Buches verheißt, ist nicht - wie spontan vermutet - Palästina bzw. Israel, sondern England, wohin die deutsch-jüdischen Familien der Großeltern von Ian Buruma und Protagonisten dieser Chronik, im 19. Jh. ausgewandert waren. Zur soliden gesellschaftlichen Mittelschicht gehörend, keinerlei Diskriminierung ausgesetzt, verließen sie Deutschland, um sich beruflich in England weiterentwickeln zu können. Kompromisslos übernahmen sie englische Sprache, Kultur, Sitten und Bräuche, wurden aber trotzdem immer wieder mit ihrer ursprünglichen Identität konfrontiert - insbesondere während der Weltkriege. Aus der liebevollen und dankbaren Sicht des Enkels spürt der Autor detailliert, aber sensibel den Spuren seiner Großeltern nach, nicht nostalgisch verklärt, sondern gestützt auf authentische Briefe, die sich die beiden über viele Jahrzehnte geschrieben haben. Aus diesen ganz persönlichen Bekenntnissen entsteht ein lebendiges Bild von Liebe und Verantwortung der beiden füreinander, für die eigene Familie und auch für bedrohte Verwandte und Freunde, aber es zeigt auch Schatten und Misstöne sowie ungute Entwicklungen im gesellschaftlichen und politischen Umfeld. Denn trotz ihres offen geäußerten und gezeigten Stolzes, durch und durch loyale Engländer zu sein, holt sie ihre jüdisch-deutsche Identität immer wieder ein; sie fühlten sich dazugehörig, aber gleichzeitig auch als Außenseiter. - Wärmstens zu empfehlen!
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ihr gelobtes Land
Ian Buruma
Hanser (2017)
268 S. : Ill.
fest geb.