Wir waren wie Brüder

Der Ich-Erzähler ist gerade mal zehn Jahre alt, als die Mauer fällt, und möchte am liebsten die Pistole seines Vaters stehlen, in den Westen gehen und die Kapitalisten töten. Denn so hat er es gelernt, so steht es in seinem Kinderlexikon: Im Osten Wir waren wie Brüder sind die Guten, im Westen die Bösen. Episodenhaft erzählt er nun von seinem Aufwachsen irgendwo in Brandenburg zwischen Plattenbauten und stillgelegten Betrieben. Von Grafen, die ihren Besitz zurückhaben wollen, desillusionierten Männern und den Frauen, die den Laden am Laufen halten. Denn: „Es ist echt Arbeit, sich an den Westen zu gewöhnen“ (S.103). In einem Milieu von allgegenwärtiger Gewalt fühlt er sich nirgends wirklich zugehörig, sucht Freunde und nimmt in Kauf, dass diese sich Nazidevotionalien an die Wand hängen. Dem hat er nichts entgegenzusetzen als seine langen Haare und die Fähigkeit sich wegzuducken. - Daniel Schulz, der in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Potsdam aufgewachsen ist, geht in diesem dichten Roman in authentischer, unmittelbarer Sprache der Frage nach, wie rechte Gewalt im Osten erstarken konnte und findet Antworten, die in unsere Gegenwart reichen. Überall empfohlen.

Barbara Dorn

Barbara Dorn

rezensiert für den Borromäusverein.

Wir waren wie Brüder

Wir waren wie Brüder

Daniel Schulz
Hanser Berlin (2022)

285 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 609612
ISBN 978-3-446-27107-4
9783446271074
ca. 23,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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