Der Schatten der Eule

Wer Gedichte nur liebt, wenn sie im traditionellen Stil mit gereimten Versen geschrieben sind oder wenn sie Blumen, Jahreszeiten und seelische Stimmungen besingen, wird bei der Lektüre dieses Gedichtbandes nicht glücklich. Wer aber Gedichte schätzt, Der Schatten der Eule in denen der Autor den ganzen Reichtum der Sprache vor den Lesern ausbreitet, der wird hier reichlich beschenkt. Einen großen Teil dieser Gedichte hat der irische Autor mit dem Wissen um sein absehbares Lebensende geschrieben. Aber - und das gibt diesen Gedichten eine ganz besondere Kraft und Farbe - hier wird nicht geklagt und getrauert über das Ende seines Lebens. "Bis zu seinem letzten Atemzug brannte sein Geist mit großer Strahlkraft" wie es in der Einleitung des Bandes heißt. "Sie behaupten, ich würde noch essen können trotz/ des Schlauches, der aus mir wächst - aber wie schwelgen/ in einem Wiener Schnitzel mit dieser Beeinträchtigung." Das den Band einleitende Langgedicht ist ganz der Erkundung der Welt einer Eule gewidmet, deren Rufe den Dichter in der Zeit seines unaufhaltsamen Abschieds vom Leben begleitet haben. "Ich sollte aufhören sie zu erwähnen, aber/ über was soll ich sonst schreiben? Nicht die Reise,/ die ansteht, über die ich nichts weiß, noch nicht." Beeindruckend auch das Nachwort von Jan Wagner, dem Übersetzer der Gedichte und Freund in den letzten Lebensjahren von Matthew Sweeney. Er habe, so erinnert sich sein Übersetzer, den sicheren Tod vor Augen, noch eine Flasche Rioja bestellt mit den Worten: "I'll be dead longh enough". Mit diesem Gedichtband lernt man wie Gedichte einem Kraft geben können "für die Reise, die ansteht."

Carl Wilhelm Macke

Carl Wilhelm Macke

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Schatten der Eule

Der Schatten der Eule

Matthew Sweeney ; aus dem Englischen von Jan Wagner
Hanser Berlin (2021)

195 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 995382
ISBN 978-3-446-27109-8
9783446271098
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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