Jeder für sich und Gott gegen alle
"Ich habe einfach immer nur meine Notwendigkeiten erkannt und ihnen gegenüber Pflichtgefühle entwickelt, einer großen Vision zu folgen". So Visionär Werner Herzog, Münchner des Jahrgangs 1942, aufgewachsen in Sachrang/Obb. "Hamlet" wollte er inszenieren,
"alle Rollen mit Exweltmeistern von Viehauktionen", den schönsten "Lohengrin" schenkte er 1987 Bayreuth. Klaus Kinski, extremer als er, war fünfmal sein Filmheld, "Fitzcarraldo" (1982) zeigte Arte als Geburtstagsgeschenk. Zum Achtzigsten am 5. 9. 22 erschien dieses stupende Lebens- und Strebens-Buch. Drei Bücher schrieb Herzog, viele, viele las er, von Hölderlin bis Thomas Bernhard Mit den schrägsten Autoren und Darstellern war er befreundet, von Bruce Chatwin, den er sterben sah und dessen Rucksack sein Fetisch wurde, bis Reinhold Messner. Immer "hoch hinaus" also! Der Leser muss da mit! Und viel verkraften. Einen Höhenflug nach dem anderen mutet ihm der sich scharf Erinnernde zu, auch an seine patente, großartige Mutter. Herzog zählt zu den Außergewöhnlichen seines Metiers, wandelbar vom Schweißer und Schmuggler über den Schauspieler und Schulgründer. Stets listig und unerschrocken. Selbstsicher. Wahrlich ein "einsamer Einzelkämpfer". So frappierend sein Memoir ist, so anstrengend ist es zu goutieren. Keine der tausend "Geschichten", ob wahr, halbwahr oder völlig aus der Luft gegriffen, kann man irgendwie wegstecken. Sie werden geradezu zur eigenen Obsession. Bedauerlich, dass kein einziges Foto dieses Super-Opus mit haargenauer Filmographie und Opern-Inszenierungs-Liste schmückt.
Hans Gärtner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Jeder für sich und Gott gegen alle
Werner Herzog
Hanser (2022)
349 Seiten : Illustrationen
fest geb.