Mutabor

Unter dem Angriffskrieg der russischen Armee auf die Ukraine leidet vor allem die ukrainische Zivilbevölkerung. Aber unter den Folgen dieses mörderischen Krieges leidet auch die zeitgenössische russische Kulturszene, die sich schon seit vielen Jahren Mutabor mit den Mitteln der Kunst gegen das autoritäre Regime des Vladimir Putin zu Wehr setzt. Polina Barskova hat ihre Heimat Russland allerdings schon Ende der 90er Jahre verlassen. Sie lebt heute in den USA, aber ihr literarisches Schreiben ist nach wie vor eng mit ihrer Herkunft, vor allem aber auch mit der Muttersprache verbunden. Schon die Titel einiger in diesem Band versammelten Gedichte zeigen diese tiefe russische Prägung der Dichterin. "Darüber wie ich in Petersburg war" oder "Achmatowas Schuhe" oder "Lexikon Leningrader Schriftsteller an der Front". Vermuten könnte man unter diesem Titel ein patriotisches Soldatengedicht, aber bei der Lektüre ist von Heldentum und Vaterland keine Rede. Stattdessen bissiger Realismus, Entlarvung des in der russischen Literatur häufig zu findenden großen Pathos, der Tragik und der Absurdität, ein fantasievolles Herumirren in der russischen Literatur. - Es dauert eine Zeit, bis man ein Gehör für die gelegentliche Schroffheit im Schreiben dieser Autorin findet. Ohne die angefügten Kommentare am Schluss des Bandes blieben einige der Gedichte unverständlich. Dass hier auch an ukrainische Dichter erinnert wird, die in den Zeiten des Stalinismus hingerichtet wurden, ist im Kontext des aktuellen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine keine unwichtige Fußnote.

Carl Wilhelm Macke

Carl Wilhelm Macke

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Mutabor

Mutabor

Polina Barskova ; aus dem Russischen von Daniel Jurjew
Hanser (2023)

151 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 751567
ISBN 978-3-446-27637-6
9783446276376
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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