Selbst schuld!
Selbst schuld! Das hört man immer wieder, wenn einem ein Missgeschick passiert. Wenn man krank geworden ist, man hätte sich ja vorsehen können. Wenn eine Therapie nicht anschlägt, man hat sich nicht richtig bemüht. Die Schuld an den großen Problemen
der Gegenwart wird aber auch gern dem Einzelnen zugeschoben: die Energiekrise, Umweltschäden, die Diskrepanz zwischen den reichen Ländern der nord- und den armen der Südhalbkugel: Immer wieder wird da die Schuld uns als Individuen gegeben. Dabei sind es oft größere Zusammenhänge jenseits der individuellen Verantwortung, die für alle möglichen Missstände verantwortlich sind. Die Herausgeber dieser Sammlung von Essays möchten das mit ihrem Buch verdeutlichen: In 13 Texten beschreiben Influencer und Podcasterinnen, Journalisten, Wissenschaftlerinnen und Politiker, bei welchen Themen oft dem Einzelnen eine Schuld gegeben wird, obgleich dieser eigentlich gar nichts dafür kann: Das geht von der prekären wirtschaftlichen Lage über das Klimaproblem bis zur sexualisierten Gewalt und von der Gesundheit über den Generationenkonflikt bis zur Familie. Ein wirklich wichtiges Buch, denn nur zu oft lassen wir uns durch Medien, Influencer bestimmter Gruppen etc. eine Schuld einreden, die eigentlich nicht die unsere ist. Wer dies liest, wird sicher nicht aus seiner individuellen Verantwortung genommen, aber er lernt zu differenzieren und merkt, wer die wirklichen Urheber von gesellschaftlichen Problemen sind und wie er darauf reagieren sollte. Dieses Buch war längst fällig in einer Zeit, in der das "Selbst-Bashing" Mode geworden ist.
Günter Bielemeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Selbst schuld!
mit Beiträgen von Christian Baron, Dietmar Dasth, Aladin E-Mafaalani, Sebastian Friedrich [und viele weitere]
Hanser (2024)
254 Seiten
fest geb.