Die Mitte des Lebens finden
Im Guten wie im Schlechten ist die Heilige Messe den meisten Katholiken zur Routine geworden. Wolfgang Sauer stellt diese Routine in seinem Buch in Frage - nicht, um es besser zu wissen, sondern um den Leser/innen zu einem tieferen Verständnis des
Geschehens zu verhelfen. Auf persönliche, konkrete und durchaus auch emotionale Weise teilt er mit ihnen die Einsichten, die ihm im Laufe seiner inzwischen 45 Dienstjahre als Priester zugewachsen sind, u.a. als Seelsorger für Priesteramtskandidaten, Hochschulseelsorger in Heidelberg und Direktor der katholischen Journalistenschule ifp in München. Christsein bedeutet in seinen Augen, sein Leben in der Grundhaltung der Dankbarkeit zu führen. Diese "eucharistische Existenz" wurzelt im Staunen über das Leben und in der Dankbarkeit für die liebende Zuwendung Gottes zu allen Menschen - mit ihren Fehlern und Schwächen. Eucharistische Existenz bedeutet darüber hinaus "ein Leben mit ausgebreiteten Armen" zu führen, um diese grenzenlose Liebe Gottes empfangen und weitergeben zu können. Der Gedanke, dass der Alltag des Christen eine Fortsetzung der Eucharistiefeier mit anderen Mitteln sein muss, zieht sich daher wie ein roter Faden durch das Buch. So klar Sauer auch seine Gedanken zu verschiedenen Aspekten der eucharistischen Existenz formulieren kann, so bewusst ist er sich doch, dass die Eucharistie auch ein Mysterium bleibt, das sich letztlich der begrifflichen Festlegung entzieht. Dennoch darf diese Einsicht nicht zur Ausrede werden, meint Sauer, auf eine denkerische Annäherung an das Geheimnis der Eucharistie zu verzichten. Dazu lädt er ausdrücklich auch seine Leser/innen ein, die seine Gedanken kreativ weiterdenken sollen. Auf diese Weise kann aus Routine wieder ein Gefühl für die tröstende Kraft und das befreiende Geheimnis der Eucharistie wachsen.
Redaktion
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Mitte des Lebens finden
Wolfgang Sauer
Herder (2018)
156 S.
fest geb.
Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats