Ehe und Himmelreich
Sexual- und Ehemoral drohen die katholische Kirche heute zu zerreißen. Da ist es außerordentlich hilfreich, dass sich ein exzellenter Exeget wie Klaus Berger damit befasst. Tatsächlich gelingt es ihm, die einseitige, entweder zu Rigorismus oder Libertinismus neigende Fixierung auf dieses Thema zu überwinden. Sexualität und Gottesverhältnis stünden in engster Beziehung zueinander, und gerade daraus leitet Berger sowohl die zölibatäre als auch die monogame Lebensweise als Ausdruck einer innigen Gottesbeziehung ab. Erstaunt nimmt man zwei Phasen in Leben und Wirken Jesu zur Kenntnis, die sich trotz ihrer Unterschiedlichkeit nicht widersprechen: eine erste des "verzehrenden Eifers" für Gott, die sich gegen Ehe und familiäre Bindungen überhaupt richtet, und eine zweite, die den Messias-Bräutigam in seinem Verhältnis zur Kirche ins Zentrum rückt und damit eine positive Sichtweise von Ehe und Familie eröffnet. Berger zieht diese beiden Linien über Paulus weiter, exemplifiziert sie am unterschiedlichen Verhalten Jesu gegenüber Frauen und Männern ("Der duale Weg"), die sich in den kirchlichen Strukturen fortsetzt. Auf dieser Grundlage entwickelt er unter Einbeziehung von Texten der Kirchenväter und Mystiker eine biblisch fundierte Ehelehre, in deren Rahmen auch die Sexualität (u.a. "Bausteine für eine Sexualmoral der Zukunft") Zeugnischarakter für das Himmelreich gewinnt.
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ehe und Himmelreich
Klaus Berger
Herder (2019)
304 Seiten
fest geb.