Das Geschenk der Weisen
Wovon soll man dem Liebsten ein Weihnachtsgeschenk kaufen, wenn man kein Geld hat? Traurig zählt Dell ihre wenigen Münzen, bis ihr die Idee kommt, sich von dem Wertvollsten zu trennen, das sie hat, nämlich ihr Haar! Ungerührt schneidet die Perückenmacherin
Dells lange Locken ab. Von dem erhaltenen Geld kauft Dell für Jim eine wertvolle Uhrkette. Doch der Weihnachtsabend hält eine doppelte Überraschung bereit, die dem Paar seine Liebe zueinander neu versichert. - Diese amerikanische Kurzgeschichte preist das Wunder der Liebe auf ganz prosaische Art. Arm, aber glücklich sind die beiden Protagonisten, die ihr Schicksal mit Findigkeit und Zusammenhalt tragen. Ein modernes Weihnachtsmärchen also, das in dieser Insel-Ausgabe in ein bibliophiles Schmuckstück verwandelt wird. Das liegt hauptsächlich an der wunderbaren Illustrierung, die dem Potential des Textes weite assoziative Räume eröffnet. Die Collagen aus Zeichnungen, Papieren und Fundstücken lokalisieren die Geschichte in ein düsteres Hinterhof-Milieu, in dem die winterliche Kälte von der warmen Gefühlswelt des Paares buchstäblich vergoldet wird. "Arme" Materialien werden mit sicherer Hand in Beziehung gesetzt und veredelt - eine kongeniale bildkünstlerische Fassung dieser klassischen short story.
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.

Das Geschenk der Weisen
O. Henry. Mit Ill. von Ulrike Möltgen
Insel-Verl. (2018)
Insel-Bücherei ; 1453
[28] Bl. : überw. Ill. (farb.)
fest geb.