Hannah Arendt und Heinrich Blücher
Dreißig Jahre waren sie ein Paar, die Philosophen Hannah Arendt und Heinrich Blücher, einander liebevoll, auf Denkwegen und in Wortgefechten verbunden. Barbara von Bechtolsheim erzählt von dieser dynamischen Lebensdenkpartnerschaft einsichtsvoll und differenziert. Die jüdische Intellektuelle und der frühere Nachrichtenredakteur, der sich mehrsinnig als „Drahtzieher“ bezeichnete, lernten sich 1936 als Emigranten in Paris kennen. Anfang der 1940er-Jahre mussten sie vor den Nazis nach New York fliehen. Dort bauten sie in wechselseitiger Inspiration eine neue akademische Existenz auf, zunächst in der Lehre, Hannah Arendt an ostamerikanischen Eliteuniversitäten und mit ausgedehnten Vortragsreisen, Heinrich Blücher mit Performances an einem kleineren College. Ihr Kernthema war das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung, ein ideologiekritisches Denken ohne Geländer, dem es an neuen Werten und Normen nach dem Zivilisationsbruch des Holocausts gelegen ist und an richtigen Fragen statt an vorschnellen Antworten. Auch hier zeigen sich befruchtende Unterschiede. Hannah Arendt arbeitete ideengeschichtlich, Blüchers Sache war die politische Analyse. Einige Kapitel sind dem ehelichen Vorleben und den Freunden aus Künstlerkreisen gewidmet. Das ist besonders interessant, denn in den schönen Künsten sahen beide einen Weg zur Wahrheit. Ein vorzüglicher Einblick in eine gemeinsame philosophische Werkstatt, ab mittleren Beständen empfohlen.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Hannah Arendt und Heinrich Blücher
Barbara von Bechtolsheim
Insel Verlag (2023)
279 Seiten : Illustrationen
fest geb.