Quasikristalle
Dreizehn Kapitel beleuchten ein Leben, zwölf Menschen begleiten eine Frau ein Stück ihres Lebensweges, doch sind wir am Ende schlauer und haben ein stimmiges Bild dieser Person? Mitnichten, das Bild bleibt unscharf, selbst in dem einzigen Kapitel, das aus Roxane Molins eigenem Blickwinkel erzählt wird. Auch hier nur Streiflichter, Momentaufnahmen, kleine Eingeständnisse, aber der große, umfassende Blick auf ihr Leben findet sich auch hier nicht. Doch gerade aus dieser Vielschichtigkeit bezieht der Roman seinen Reiz. Immer wieder erwartet man, Xanes Persönlichkeit nun endlich zu erfassen, doch weder der Vermieter noch der Liebhaber noch die Freundin aus Kindertagen vermögen sie auch nur annähernd vollständig zu beschreiben. Dafür ergibt sich ein schillerndes Bild weiblichen Alltags, in seiner Zerrissenheit zwischen Kinderwunsch, Sehnsucht nach Nähe, beruflichem Erfolgsdruck und der Suche nach Perfektion. Xane entzieht sich, sie bleibt unfassbar, seltsam blass, trotz aller bedeutsamen Ereignisse in ihrem Leben, und wirkt gerade dadurch exemplarisch für eine Frau unserer Zeit. Menasse vermeidet weitestgehend genaue Zeitangaben, ihre Protagonistin bleibt seltsam alterslos trotz der Wandlungen in ihrem Leben von der Tochter über die Studentin zur Ehefrau, Geliebten, Mutter und Großmutter. Die österreichische Autorin hat eine ausgefallene Idee in wunderbare, lesbare Literatur umgesetzt. Gerne empfohlen!
Beate Mainka
rezensiert für den Borromäusverein.
Quasikristalle
Eva Menasse
Kiepenheuer & Witsch (2013)
425 S.
fest geb.