Notre Dame de Dada

Die Autorin, die seit 1990 aufgrund ihrer Frauenbiografien und durch die Erforschung insbesondere deutsch-jüdischer Lebensgeschichten bekannt geworden ist, legt mit dieser Biografie eine akribisch recherchierte Lebensgeschichte der ersten Frau des Notre Dame de Dada Künstlers Max Ernst vor. Luise Straus-Ernst wurde 1893 in Köln geboren und wegen ihrer jüdischen Herkunft im Jahr 1944 aus dem Exil in Frankreich nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Das Besondere und Authentische an dieser Biografie ist, dass Ungereimtes, Unklärbares auch als solches benannt wird und nicht harmonisierend dargestellt oder verschwiegen wird. Das Buch ist auch zu lesen als eine Milieustudie Kölns nach der Jahrhundertwende, die verwoben ist mit den Erfahrungen aus der Künstlerwelt des Dadaismus und der verstörenden Realität eines zunehmenden Antisemitismus, der schließlich in der Katastrophe von Auschwitz eskaliert. Zugleich wird im Leben der Luise Straus-Ernst deutlich, wie schwer es für eine Frau dieser Zeit war, trotz überdurchschnittlicher Bildung in einer adäquaten beruflichen Stellung Fuß zu fassen und sich selbst aus den überkommenen Rollenzuschreibungen zu befreien. Privat gelang ihr dies oft nicht. Das Scheitern ihrer Ehe und in Beziehungen schrieb sie z.B. ausschließlich eigenen Defiziten zu. Erst die Jahre nach 1927 - die Scheidung von Max Ernst hatte sie bereits Ende 1925 eingereicht - beschrieb sie selbst als "`wunderbare` Zeit voller Farbe und Leben" (S. 169). Sie trug von da an alleine die Sorge für ihren Sohn, war erfolgreich als Journalistin und baute sich einen neuen Bekanntenkreis aus Schauspielern, Schriftstellern und Komponisten auf. Dieses freiere Leben nahm dann in Auschwitz schon mit 51 Jahren ein tragisches Ende. - Diese detailreiche Biografie stellt konsequent Luise Straus-Ernst in den Mittelpunkt und erliegt nicht der Verführung, größeres Gewicht auf bekanntere Persönlichkeiten zu legen; ihre Zeit und ihr Umfeld erfahren dennoch die nötige Beachtung und Einordnung. Allen Beständen besonders empfohlen.

Lioba Speer

Lioba Speer

rezensiert für den Borromäusverein.

Notre Dame de Dada

Notre Dame de Dada

Eva Weissweiler
Kiepenheuer & Witsch (2016)

447, [8] S. : Ill.
fest geb.

MedienNr.: 584807
ISBN 978-3-462-04894-0
9783462048940
ca. 24,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Bi
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