Otis

Tristan Funke, gerade wegen einer in die Brüche gegangenen Beziehung von Hamburg nach Berlin umgezogen, will sich nun ganz seinem anstehenden Romanprojekt widmen. Angelehnt an die Irrfahrten des Odysseus schickt er Otis, seinen Protagonisten, auf Otis eine ähnliche Irrfahrt durchs Mittelmeer. Sein Held ist jedoch ein gescheiterter IT-Programmierer, der nach Drogenkonsum und illegalen Geschäften mit Video-Diensten nun auf der Flucht vor den Behörden ist. Doch so richtig voran kommt Tristan mit dem Buch nicht. Er hat wenig einträgliche Frauengeschichten, die ihn von seiner Arbeit abhalten. Seine Bekannten sind Medienmenschen, Theaterleute, Architekten und andere Hipster, die immer unterwegs und stets beschäftigt sind, sich aber im Grunde nur um sich selbst drehen. Partys, wie die von seinem Freund Ole, der sich beruflich in die USA verändert, werden zu Plattformen für Diskussionen über die aktuelle politische Lage in Deutschland, den Kulturbetrieb im Allgemeinen und die jeweilig anstehende Krise. Als Tristan endlich eine geniale Idee für den Schluss seines Romans gefunden zu haben glaubt, wird er von einem wild gewordenen Pitbull so übel angegriffen, dass sowohl für das Buch als auch für den geplanten Roman das Ende offen bleibt. - Ein Roman über das Innenleben eines Kulturbetriebes, der sich selbst genügt. Dem Autor gelingt es auf hervorragende Weise, über viele Seiten von Smalltalk und angepasstem Partygeplauder genau jene Atmosphäre zu erzeugen, in der sich die scheinbar wichtigen Leute in Berlin bewegen. Ein genau beobachtetes Gesellschaftsbild, dazu Kulturkritik auf hohem Niveau. Sehr empfehlenswert.

Josef Schnurrer

Josef Schnurrer

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Otis

Otis

Jochen Distelmeyer
Rowohlt (2015)

281 S.
fest geb.

MedienNr.: 748332
ISBN 978-3-498-01203-8
9783498012038
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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