Schattenfangen
Der erfolgreiche Maler Gil und seine ihm seit 15 Jahren als Modell zur Verfügung stehende Ehefrau verbindet eine zermürbende Hassliebe. Obwohl sie in ihrem in Minnesota gelegenen Heimatdistrikt als ein Harmonie ausstrahlendes "sexy Pärchen" gelten,
bestimmen lautstarke Schuldzuweisungen, Beleidigungen und unter Alkohol auch Tätlichkeiten den Familienalltag. Als Irene bemerkt, dass Gil heimlich in ihrem Tagebuch liest, fasst sie den Entschluss, sich für die Verletzung ihrer Privatsphäre zu rächen. Sie erfindet imaginäre Liebhaber und erweckt somit den Eindruck, ihre drei gemeinsamen Kinder stammten von verschiedenen Vätern. Was jedoch als provozierende erzieherische Lektion gedacht war, gerät außer Kontrolle und entwickelt eine Eigendynamik, auf die weder Irene und Gil noch die Kinder vorbereitet sind. - Die von der amerikanischen Autorin (Jahrgang 1954) angebotene Auflösung überrascht und bildet den Schlusspunkt ihres spannenden, überzeugende Psychogramme und dokumentarische Alltagsszenen enthaltenden Romans. Wenngleich die empfehlenswerte Prosa von Ehe- und Familienproblemen dominiert wird, bleibt Raum für ethisch-moralische Fragen, die mit Schuld und Verfehlung, mit Vergebung und Erlösung und mit der Besinnung auf die eigene Herkunft zusammenhängen. (Übers. : Chris Hirte)
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Schattenfangen
Louise Erdrich
Suhrkamp (2011)
238 S.
fest geb.